DOMRADIO.DE: Ein Mann hat einen achtjährigen Jungen und seine Mutter völlig unvermittelt ins Gleisbett gestoßen. Während sich die Mutter retten konnte, wurde der Sohn vom einfahrenden ICE überrollt und starb noch am Unfallort. Der 40-jährige Tatverdächtige ist ein Mann aus Eritrea und kannte seine Opfer offenbar nicht. Über die Motive ist nichts bekannt. Was haben Sie gedacht, als Sie von der Attacke gehört haben?
Johannes zu Eltz (Stadtdekan von Frankfurt): Die ganze Stadt, das sommerlich-lässige Frankfurt ist erstarrt, wie ich das noch nicht erlebt habe. Starr vor Schreck, Abscheu und vor Mitleid vor allem mit der Mutter, die ihr Kind neben sich hat sterben sehen.
DOMRADIO.DE: Wie reagiert die katholische Kirche vor Ort?
zu Eltz: Zunächst müssen wir uns wieder fassen, wir kennen die Gründe nicht und stehen vor einem dunklen Rätsel. Wir werden am heutigen Dienstagabend im Gelände des Hauptbahnhofes ein ökumenisches Trauergedenken halten. Dabei versammeln sich hoffentlich viele.
DOMRADIO.DE: Der mutmaßliche Täter ist ein Mann aus Eritrea. Das ist Wasser auf die Mühlen rechter Hetzer. Wie können wir verhindern, dass solche Taten zur Stimmungsmache gegen Migranten missbraucht werden?
zu Eltz: Das ist ein zusätzliches Problem, das mir Angst macht. Ich habe als erstes den Priester der katholischen-eritreischen Gemeinde und den Gemeindeleiter angerufen und zur Trauerfeier am Bahnhof eingeladen. Wenn sie Angst haben, dann werde ich ihnen die Hand halten und mit ihnen zusammenstehen. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass diese Tat nicht zu einer allgemeinen Abscheu gegen Migranten führt.
DOMRADIO.DE: Viele fragen sich, warum ein Mensch so eine Tat begeht, aber auch, wie Gott zulassen kann, dass ein Kind auf so grauenhafte Weise umgebracht wird.
zu Eltz: Niemand wartet jetzt auf die Erklärung zur Theodizee. Ich glaube, die Menschen warten darauf, dass wir nicht Reißaus nehmen und uns dazustellen, wenn möglich neben die Trauernden oder die Menschen, die das alles mit angesehen haben. Das hat wie eine Bombe eingeschlagen und wir, die Gottesleute, müssen in der Stadt dort unseren Platz suchen, wo die Trauernden und Entsetzen sind. Das ist die wichtigste Antwort.
Das Interview führt Moritz Dege.