Franz Alt wirft Bundesregierung im domradio Feigheit vor China vor

Streitfall Dalai Lama

Das geplante Treffen des Dalai Lamas mit SPD-Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul stört nach Ansicht Chinas die Beziehung zu Deutschland empfindlich. Dass das geistliche Oberhaupt der Tibeter von einem Regierungsmitglied empfangen werde, stelle "natürlich" eine neue Belastung der bilateralen Beziehungen dar, sagte der chinesische Botschaftsrat Zhang Junhui am Freitag. Der Publizist Franz Alt wirft der Regierung im domradio-Interview Feigheit vor China vor.

 (DR)

Franz Alt, der sich seit Jahren für die Menschenrechte der Tibeter einsetzt, betont, es wäre die Pflicht für Bundespräsident Köhler gewesen, den Dalai Lama in Berlin zu empfangen. Wenn man nur "kusche vor den Chinesen" würde man sein Gesicht verlieren. Die deutsche Politik müsse mehr Druck ausüben.

Auch Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff verteidigte das Treffen Wieczorek-Zeuls mit dem Lama und griff Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) scharf an. «Ich glaube, der Außenminister steht sehr stark in der Tradition von Gerhard Schröder, dem solche Zeichen der Solidarität, dem die Menschenrechtsfragen eigentlich zweitrangig waren», sagte der CDU-Politiker. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) drängte unterdessen auf weitere Treffen zwischen Vertretern des Dalai Lama und der chinesischen Regierung.

Die Volksrepublik nimmt den Umgang Deutschlands mit dem Dalai Lama laut dem Botschaftssprecher «sehr ernst». «Wenn die deutsche Bundesregierung an guten Beziehungen mit China interessiert» sei, dürfe sie den Dalai Lama nicht unterstützen. Zhang warf dem Friedensnobelpreisträger vor, entgegen öffentlichen Beteuerungen den Verzicht auf die Unabhängigkeit Tibets nicht unterschreiben zu wollen. Der Gesandte des Dalai Lama für die Europäische Union, Kelsang Gyaltsen, wies den Vorwurf zurück. Der Dalai Lama akzeptiere die Souveränität und territoriale Integrität Chinas.

Unterdessen setzte sich der koalitionsinterne Streit über den Umgang mit dem Dalai Lama fort. Schockenhoff forderte Steinmeier auf, sich stärker von der Tradition des ehemaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) zu »emanzipieren und einen eigenen Stil« zu finden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setze im Gegensatz zu Steinmeier neben stiller Demokratie auch auf sichtbare Zeichen der Solidarität.

Dass die Regierungschefin den Friedensnobelpreisträger im vergangenen September im Kanzleramt empfangen hatte, habe den deutschen Interessen keinesfalls geschadet. »Ganz im Gegenteil: Das hat uns in der Welt Respekt verschafft«, betonte der Koordinator für die deutsch-russische zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt. Deutschlands Position in China sei heute stärker als zuvor.

Lammert bescheinigte Deutschland in der Tibet-Frage »keine unmittelbaren Einflussmöglichkeiten« auf China. Allerdings sei erkennbar, dass die große öffentliche Aufmerksamkeit in den vergangenen Monaten auch zu »einer neuen Wahrnehmung der Dringlichkeit dieses Themas" aufseiten der chinesischen Regierung geführt habe, sagte Lammert einen Tag nach seinem Gespräch mit dem Dalai Lama.

Der Dalai Lama soll sich am Montag mit Wieczorek-Zeul treffen. Es ist seine einzige Begegnung mit einem Mitglied der Bundesregierung während des fünftägigen Deutschlandbesuchs. Der 72-Jährige hatte sich am Donnerstag mit den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Hessen, Jürgen Rüttgers und Roland Koch (beide CDU), getroffen. Am Freitag wurde er in Bochum erwartet.

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