DOMRADIO.DE: Kurz vor der Bischofsversammlung in Augsburg gab es Post aus dem Vatikan. Darin werden die Bischöfe angehalten, nicht über die Satzung des Synodalen Ausschusses abzustimmen. Sie sind vorgesehen als Teilnehmerin des Synodalen Ausschusses. Was jetzt?
Schwester Dr. Katharina Kluitmann OSF (Franziskanerin, Theologin, Psychologin und Teilnehmerin des Synodalen Wegs): Keine Ahnung. Ich bin nicht in Augsburg und ich bin nicht nur vorgesehen. Wir haben zusammengesessen, wir haben diese Satzung verabschiedet im Synodalen Ausschuss, und zwar mit 100 Prozent der Stimmen, das heißt mit allen anwesenden Ortsbischöfe.
DOMRADIO.DE: Der Synodale Rat soll einiges bewegen, es geht um Themen wie Macht, Rolle der Frau, Sexualmoral, priesterliche Lebensform. Ist dieser Brief ein päpstliches Demokratieverbot?
Schwester Katharina: Nein, er ist ein Lehrbeispiel dafür, wie man sich unsynodal verhalten kann. Fast noch schlimmer als den Inhalt finde ich, wie es da abgeht. Es wird das Gespräch verweigert mit der Leitung des Synodalen Weges. Es wird das Gespräch verweigert oder verzögert mit unseren Bischöfen. Es kommen über Medien, über Briefe aus undurchsichtigen Kanälen in der Kurie Briefe an.
Das finde ich fast noch schlimmer als das, was da drinsteht. Denn was wir abgestimmt haben, hat den wesentlichen Satz: Alles das, was hier steht, entfaltet nur dann Rechtskraft, wird nur dann gültig, wenn es von einem Bischof in seiner Diözese in Kraft gesetzt wird. Wo das bitte gegen die Verfassung der katholischen Kirche ist, verstehe ich wirklich nicht.
DOMRADIO.DE: Jetzt basiert unser Glauben auf einer Tatsache, dass nicht das Volk, sondern Christus der Souverän der Kirche ist. Kann man damit fehlende Demokratie in der Kirche einfach vom Tisch wischen?
Schwester Katharina: Nein, kann man nicht. Natürlich ist Gott oder Christus der Souverän der Kirche. Aber der ist nicht ein Souverän in der Liste: Olaf Scholz, Emmanuel Macron, Gott. 1215 hat das vierte Laterankonzil mein Lieblingsdogma verabschiedet, nämlich dass alles, was wir über Gott sagen, immer noch falscher ist, als es richtig ist. Die sogenannte Analogielehre.
Das gilt ganz bestimmt, wenn wir wissen, was der Wille Gottes ist. Ob wir das jetzt Demokratie nennen müssen in der Kirche, darüber kann man sich streiten. Man kann es auch Synodalität nennen. Aber ich kann einfach nicht glauben, dass ein paar Männern, meistens älteren Männern ehrlich gesagt, direkt der Heilige Geist was ins Ohr flüstert und dass es nicht schlauer wäre, wir setzen uns zusammen und reden. Genau das haben wir in Deutschland getan. Ich war lange als Oberin tätig und habe die Erfahrung gemacht, mir flüstert der Heilige Geist nie direkt was ins Ohr.
DOMRADIO.DE: Wenn jetzt Bischöfe die bröckelnde Demokratie in Deutschland kritisieren, aus einem undemokratischen, aus einem unsynodalen System heraus, wie unehrlich ist das Ihrer Ansicht nach?
Schwester Katharina: Das ist nicht unehrlich. Das ist so zwiespältig, wie wir Menschen sind. Sie müssen das tun. Sie müssen das genauso tun wie alle, die in diesem Land wohnen und auf die Straße gehen oder am Stammtisch gegenhalten. So mag die Deutsche Bischofskonferenz das gerne auch tun.
Es wäre natürlich glaubwürdiger, wenn sie das selber tun würden. Natürlich ist es viel effektiver vorzumachen, als zu reden. Das bekommen sie gerade richtig schlecht hin. Wobei ich finde, im Moment bekommt es der Vatikan schlecht hin und einige wenige unserer Bischöfe. Ich finde, die darf man nicht alle in einen Topf werfen. Da sind Leute, die haben es wirklich verstanden. Die meisten haben es verstanden.
DOMRADIO.DE: Aber gerade in Anbetracht, dass es aus dem Vatikan solche Ansagen gibt. In der Kirche, in der eigentlich nur Geweihte das Sagen haben, weil sie in einer besonderen Beziehung zu Christus stehen, wie zukunftsfähig ist das noch?
Schwester Katharina: Gar nicht.
DOMRADIO.DE: Punkt?
Schwester Katharina: Punkt!
DOMRADIO.DE: Wie demokratisch sind Sie bei den Lüdinghausener Franziskanerinnen?
Schwester Katharina: Bei uns würde keiner zucken, wenn man sagt, dass wir demokratisch sind. Wir wählen alle! Alle ganz normalen Schwestern, weil wir sind alle ganz normale Schwestern. Wir wählen eine Art Parlament. Das nennen wir dann ein bisschen anders, wir nennen das Kapitel. Wir tun das sehr regelmäßig, in unserer Gemeinschaft, aber in anderen Gemeinschaften ist das auch so. Wir tun das alle fünf Jahre. Dann schauen wir zurück, dann schauen wir nach vorne, dann wählen wir unsere Leitung.
Wir wählen eine Leitung auf Zeit. Deshalb bin ich mal Oberin in meiner Provinz gewesen und bin es jetzt nicht mehr und spreche Dinge heute genau wie jede andere Schwester mit meiner Oberin ab.
Was man ganz oft vergisst, auch die Orden sind katholisch und das wohl unbestritten. Katholisch definiert sich nicht damit, ob man was von der Kirchensteuer abkriegt. Das tun wir nicht. Wir sind also ganz offensichtlich ein etwas anderes katholisches System. Aber eins mit langer Tradition. Hin und wieder würde ich mir wünschen, man würde da mehr hingucken. Auch so geht katholisch.
Das Interview führte Tobias Fricke.