Franziskus und der Konflikt zwischen USA und Iran

Der Präsident, der Ayatollah und der Papst

Am Donnerstag hält der Papst seine traditionelle Neujahrsansprache an das Diplomatische Corps. Bereits seit Tagen erwarten viele von ihm Worte zum Konflikt zwischen USA und Iran. Doch er hat Gründe, vorerst zu schweigen.

Autor/in:
Roland Juchem
Papst Franziskus hält den Kopf gesenkt / © Stefano Dal Pozzolo (KNA)
Papst Franziskus hält den Kopf gesenkt / © Stefano Dal Pozzolo ( KNA )

Seit sich durch die Tötung von General Qasem Soleimani der Konflikt zwischen USA und Iran verschärft hat, war dazu aus dem Mund des Papstes noch keine explizite Äußerung zu hören. Nur sein Botschafter in Teheran, Erzbischof Leo Boccardi, ließ wissen, der Papst verfolge die Entwicklungen mit großer Sorge. Franziskus bete und lasse sich stets aktuell informieren.

Deutliche Worte beim Angelusgebet

Am deutlichsten noch wurde das Kirchenoberhaupt beim Mittagsgebet am Sonntag: "In vielen Teilen der Welt liegen Spannungen in der Luft. Krieg bringt nur Tod und Zerstörung", warnte Franziskus und rief "alle Parteien auf, Dialog und Selbstbeherrschung zu wahren". Deutlichere Worte hätten angesichts der derzeitigen Lage kontraproduktiv sein können.

Sofern päpstliche Diplomatie überhaupt etwas ausrichten kann, dann nur unter äußerster Diskretion. Anders als US-Präsident Donald Trump und der iranische Religionsführer Ayatollah Ali Khamenei kann der Papst weder Embargos verhängen noch Drohnen oder Söldnertruppen einsetzen. Da sowohl Soleimani wie auch Trump zuletzt eher auf die militärische Karte setzten, sehen Diplomaten im Moment eher Russland und China an der Reihe, Teheran von einer eskalierenden Reaktion abzuhalten.

Vermittlung und Dialog

Die Softpower des Vatikan besteht gerade in der "Schwäche", nur vermitteln zu können. Wie auch Johannes Paul II. (1978-2005) sieht Papst Franziskus die Vermittlung von Dialog als eine wichtige Aufgabe seines Pontifikats. Anfang der Woche schlug gar der langjährige US-amerikanische Vatikanexperte John Allen in einem Beitrag des Portals Crux vor, der Vatikan könne oder solle zwischen Washington und Teheran jene Vermittlerrolle übernehmen, die bisher die Schweiz innehat.

Da der Iran und die USA seit der Geiselkrise 1980/81 keine gegenseitigen Botschafter mehr haben, nimmt die Berner Vertretung in Teheran diplomatische Mitteilungen entgegen und gibt sie weiter. Über diesen Weg erfolgte vergangene Woche denn auch der offizielle Protest der Islamischen Republik gegen die Tötung ihres hochrangigen Generals.

Diplomatische Beziehungen seit 1953

Die Voraussetzungen für eine vatikanische Vermittlung sind in der Tat nicht schlecht. So hat der Heilige Stuhl bereits seit 1953 mit Teheran diplomatische Beziehungen. Was der Schah damals abschloss, ließen die Ajatollahs bestehen. Die USA hingegen unterzeichneten erst 1984 unter Präsident Ronald Reagan ein solches Abkommen.

Zudem rückt die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem Bergoglio-Pontifikat und weiten Teilen der Politik Donald Trumps die Kirche genügend weit aus dem Verdacht, Handlanger des Westens zu sein. Allerdings sehen das längst nicht alle Muslime so, weswegen Kirchenvertreter wie Patriarch Louis Raphael I. Sako im Irak eine neue Welle der Gewalt auch gegen Christen befürchten.

Franziskus könnte versuchen, was bereits sein Vorgänger Johannes Paul II. tat. Der schickte 2003 Emissäre nach Bagdad und Washington, um den drohenden zweiten Irak-Krieg zu verhindern. Nur weil er keinen Erfolg damit hatte, muss ein neuer Versuch von Franziskus in Richtung Teheran und Washington nicht aussichtslos sein.

Vorerst keine päpstliche Reise 

Denkbar wären auch eindringliche Briefe an Trump und Ajatollah Ali Khamenei. Bei Barack Obama und Raul Castro hatte Franziskus damit Erfolg - aber das waren andere Politiker, und die Konfliktlage zwischen den USA und Kuba eine gänzlich andere.

Eine vermittelnde Rolle des Heiligen Stuhls im Nahen und Mittleren Osten käme auch den dortigen Christen zugute. Deren Lage wurde seit den 1990er Jahren schlechter, nachdem die USA und andere westliche Staaten im Irak militärisch eingriffen - und damit extremistisch-fanatischen Christen-Hassern unfreiwillig den Boden bereiteten.

Seinen Reisewunsch in den Irak muss der Papst vorerst hintanstellen. Von einem anderen Ort aus aber könnte er zumindest versuchen, die Wogen des Hasses zu glätten und Chancen zu persönlicher Begegnung zu bieten: im Libanon. Auch der steht auf der Liste möglicher päpstlicher Reiseziele. Knapp die Hälfte der Bewohner sind Christen, und es gibt eine beachtliche schiitische Minderheit von gut 27 Prozent, über die der Iran - auch mittels des getöteten Generals Soleimani - die Politik des Landes am Mittelmeer mit beeinflusst.

Noch ist von möglichen Initiativen oder gar Reisen nichts offiziell bekannt. Dass der Heilige Stuhl derzeit aber sondiert und agiert, dafür könnte die Zurückhaltung des Papstes zum Konflikt zwischen dem Iran und den USA ein Indiz sein.


Konflikt Iran-USA - Demonstration in Indiana: Menschen nehmen an einer Anti-Kriegs-Kundgebung teil / © Katie Fyfe (dpa)
Konflikt Iran-USA - Demonstration in Indiana: Menschen nehmen an einer Anti-Kriegs-Kundgebung teil / © Katie Fyfe ( dpa )

Junge Frau mit einem Bild von Ayatollah Khomeini / © Marwan Naamani (dpa)
Junge Frau mit einem Bild von Ayatollah Khomeini / © Marwan Naamani ( dpa )

Teilnehmer einer Demonstration rufen Slogans während eines Protestes gegen einen US-Luftangriff im Irak, bei dem der iranische General Soleimani getötet wurde / © Ameer Al Mohmmedaw (dpa)
Teilnehmer einer Demonstration rufen Slogans während eines Protestes gegen einen US-Luftangriff im Irak, bei dem der iranische General Soleimani getötet wurde / © Ameer Al Mohmmedaw ( dpa )
Quelle:
KNA
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