Allmendinger zu ihrer Berufung in die Päpstliche Akademie

"Frauen haben anderen Platz in der Gesellschaft"

Berufung in Päpstliche Akademie der Sozialwissenschaften hat für Aufsehen gesorgt: Die Sozialwissenschaftlerin Jutta Allmendinger beteiligt sich mit weiteren Prominenten an einer Kampagne für mehr Frauen in Führungsetagen.

Autor/in:
Birgit Wilke
Päpstliche Akademie der Wissenschaften / © Romano Siciliani (KNA)
Päpstliche Akademie der Wissenschaften / © Romano Siciliani ( KNA )

KNA: Frau Professorin Allmendinger, waren Sie überrascht, als Sie von Ihrer Berufung erfuhren?

Allmendinger: Ich war wirklich überrascht, damit hatte ich nicht gerechnet. Die Päpstliche Akademie hatte kürzlich bei mir per E-Mail angefragt, ich erklärte dann meine Bereitschaft, und in der vergangenen Woche kam der Brief mit der offiziellen Berufung, über die ich mich sehr freue.

KNA: Sie gelten als Vertreterin eines sehr modernen Frauen- und Familienbildes. Mit einigen anderen Prominenten haben Sie kürzlich eine Kampagne für mehr Frauen in Führungsetagen gestartet. Die katholische Kirche tut sich da eher schwer. Wollen Sie auch daran mitarbeiten, dass sich da etwas ändert?

Allmendinger: Da man mich berufen hat, gehe ich davon aus, dass meine Expertise und meine Position auch willkommen sind. Von Vorteil ist sicherlich, dass ich der katholischen Kirche unbefangen gegenüberstehe und grundsätzlich ein optimistischer Mensch bin. Es wäre sicherlich überhöht zu glauben, dass ich alleine mit meinem Rat und meiner Expertise in der Kirche etwas ändern kann.

Aber ich freue mich, in den Diskurs zu gehen und zu zeigen, dass Frauen in der Gesellschaft einen anderen Platz haben als den, den die Kirche ihnen oft zuweist. Als Sozialwissenschaftlerin, die seit 2003 große Forschungseinrichtungen leitet, bin ich erfahren im Umgang mit unterschiedlichen Disziplinen und Sichtweisen. Diese Erfahrung und meine Freude am Dialog bringe ich gerne ein.

KNA: Sind Sie selbst kirchlich gebunden?

Allmendinger: Ich komme aus einer protestantischen Familie und gehöre weiter der evangelischen Kirche an. Zur katholischen Kirche habe ich gute Kontakte. Ich kenne Kardinal Reinhard Marx gut und profitiere sehr von seinen Anregungen und Ideen. Zugleich habe ich aber auch viele Kontakte zu anderen Religionen.

KNA: Welche Bedeutung hat Ihre protestantische Erziehung?

Allmendinger: Mein Elternhaus war sehr behütet, so dass mein Konfirmationsunterricht im Alter von 13 Jahren der erste Ort war, an dem ich Jugendlichen begegnete, die aus anderen sozialen Schichten und Milieus kamen. Ich habe von ihnen unheimlich viel gelernt und sehr von den Treffen profitiert. Diese und andere Begegnungen waren wichtige Beweggründe für mich, Sozialwissenschaften zu studieren.

KNA: Können Sie das genauer erklären?

Allmendinger: Ich beschäftige mich viel mit der Frage, was Menschen aus unterschiedlichen Kreisen zusammenbringen kann. Die Räume der Kirche sind für mich da sehr wichtig. Das merken wir ja gerade in diesen pandemischen Zeiten, in denen wir auf physische Distanz gehen und Gottesdienste häufig nur noch digital möglich sind.

Genauso möchte ich an die Debatte über Vertrauen anknüpfen, die der 2017 verstorbene Ökonom Kenneth Arrow angestoßen hat, der ebenfalls Mitglied der Päpstlichen Akademie war. Er bezeichnete Vertrauen als das Schmiermittel für die Gesellschaft.

KNA: Bei vielen Gläubigen ist genau das - also das Vertrauen in die Institution Kirche etwa mit Blick auf die Missbrauchskrise - verloren gegangen. Wie kann die Kirche das zurückgewinnen?

Allmendinger: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Kirchen brauchen. Verloren gegangenes Vertrauen kann die Kirche nur mit Ehrlichkeit, Ernsthaftigkeit, Offenheit und vor allem Selbstkritik zurückgewinnen. Denjenigen, die in Entscheidungspositionen sind, kann man das nicht oft genug sagen. Sie müssen nach innen und außen mit einem starken Rückgrat auftreten. Und deshalb ist es gut, wenn das von außen angemahnt wird, schließlich hat der Vatikan gerade selbst genug mit Reformprozessen zu tun.

KNA: Derzeit treffen sich auch die Mitglieder der Päpstlichen Akademie nur digital. Freuen Sie sich schon, dann irgendwann demnächst die Räumlichkeiten im Vatikan kennenzulernen?

Allmendinger: Ich kenne Rom und den Vatikanstaat, und natürlich tragen Kultur und Geschichte des Ortes noch mal eine besondere Bedeutung mit sich. Aber ehrlicherweise ist nicht entscheidend, ob die Treffen in Rom oder irgendwo anders auf der Welt stattfinden. Wichtig sind mir die Ideen und die Menschen, mit denen ich zusammenkomme. Ich freue mich, wenn wir dann alle an einem großen Tisch sitzen und ich etwas zur anstehenden Debatte beitragen kann.

KNA: Freuen Sie sich auf eine mögliche Begegnung mit Papst Franziskus?

Allmendinger: Natürlich. Mir gefällt die Offenheit, die ich bei Papst Franziskus spüre. Und seine Bescheidenheit, die er sofort bei seinem Antritt zeigte, indem er etwa auf prunkvolle Inszenierungen verzichtete.

Auch inhaltlich sehe ich einen Veränderungswunsch hin zu mehr Modernität in gesellschaftlichen Fragen. So nimmt Papst Franziskus eine eindeutig liberalere Position gegenüber homosexuellen Menschen ein als seine Vorgänger. Selbst eine Segnung homosexueller Partnerschaften scheint nicht mehr ausgeschlossen zu sein. Noch sind es nur erste Schritte. Für die katholische Kirche wäre es in meinen Augen sehr wichtig, dass ihnen auch tatsächliche Veränderungen folgen.


Jutta Allmendinger / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Jutta Allmendinger / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

Prominente Frauen mit Jutta Allmendinger / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Prominente Frauen mit Jutta Allmendinger / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )
Quelle:
KNA