Frauenfußball als Inspiration für die Kirche

Fairplay statt Foul

Zur Frauen-WM verrät der fußballbegeisterte Pastoralreferent Thorsten Kapperer aus Würzburg, warum er die deutsche Damenmannschaft bewundert – und was die katholische Kirche wirklich vom Fußball lernen könnte.

Autor/in:
Hilde Regeniter
Thorsten Kapperer mit Fußball / © Nadja Kapperer (privat)
Thorsten Kapperer mit Fußball / © Nadja Kapperer ( privat )

"Ich bin fußballverrückt, und ich bin kirchenverrückt." Das sagt Thorsten Kapperer über sich selbst. Längst hat er auch im Job beide Leidenschaften zusammengebracht; so schrieb er seine Doktorarbeit zum Thema "Leidenschaft und Fußball – Ein pastoral-theologisches Lernfeld", ist heute Beauftragter für Kirche und Sport im Bistum Würzburg sowie Geistlicher Beirat im katholischen Sportverband DJK. Und er findet, dass sich die Kirche, speziell auch die katholische, einiges vom Fußball abgucken könnte, ganz speziell vielleicht vom Frauenfußball.

Taktik und Technik

Die WM der Frauen verfolgt der Pastoralreferent gerade mit Passion. "Es ist schön anzuschauen, wie die Damen spielen, gerade auch was Taktik und Technik angeht." Am Frauenfußball schätzt Kapperer besonders, dass es in seinen Augen dort "zwar deutlich weniger aggressiv, aber nicht weniger leidenschaftlich" zugeht.

"Die verbalen und nonverbalen Aggressionen des Männerfußballs vermisse ich kein Stück!" Mehr Fairplay statt Foul also – in dieser Hinsicht sieht der eingefleischte Fußballfan die Damen-Teams durchaus als Modell. "Ich bin ja ganz allgemein Fußballfan, nicht etwa Fan von Herrenfußball", sagt er und verweist auf Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg, die in seinen Augen mit der deutschen Frauen-Fußball-Elf Großartiges leistet.

Völlig zu Recht, findet er, fällt den Leuten auf der Straße beim Stichwort Fußball heute zum Beispiel auch der Name Alexandra Popp ein und nicht mehr automatisch nur Manuel Neuer. Ein weiterer Beweis dafür, meint Thorsten Kapperer, dass Frauen sich in den vergangenen Jahren Stück für Stück die klassische Männerdomäne Fußball erspielt haben.

Thorsten Kapperer im Stadion / © Franziska Becker  (privat)
Thorsten Kapperer im Stadion / © Franziska Becker ( privat )

Inspiration für die Kirche?

Und was ist mit der katholischen Kirche, die beim Blick auf ihr Führungspersonal ja noch immer als klassische Männerdomäne in Erscheinung tritt? – Sie könnte sich in Sachen Geschlechtergerechtigkeit tatsächlich von den Entwicklungen im Fußball inspirieren lassen, schlägt Kapperer vor und bezieht sich dabei ganz konkret auf die alte Streitfrage, Weiheämter auch für Frauen zu öffnen. "Wir haben so lange diskutiert und reflektiert, es liegen so viele Argumente auf dem Tisch; jetzt müsste einfach mal der nächste Schritt folgen."

Dass die Frauenfrage in der katholischen Kirche nach wie vor ungelöst ist und genauso die Machtfrage, zählt in Thorsten Kapperers Augen zu den Hauptgründen, warum die Kirche immer weniger Menschen mit ihrer Botschaft erreicht. Denn an der Strahlkraft des Evangeliums selbst bestehe doch kein Zweifel: "Ich glaube nach wie vor zu 100 Prozent, dass die Botschaft Jesu uns heute weiterhelfen kann!"

Emotionen und Sprache als Schlüssel

Um das auch wirklich zu vermitteln würden, so zeige doch der Blick in die Fußballstadien, auch mehr Emotionen helfen. Während der Fußball die Leute im Wortsinn spielerisch bei den Emotionen packe, gelinge das der Kirche eben oft nicht.

Mehr echte Gefühle in Gottesdiensten zu transportieren sei schließlich etwas anderes, als diese zu Events herabzuwürdigen. Es gehe dabei auch nicht um Show, sondern um echte Ansprache. Wobei der Fußball- und Kirchenmann Sprache ohnehin als Schlüssel sieht. "Ich habe mich gefragt, in welchen Bereichen denn eigentlich eine Sprache gesprochen wird, die die Leute unmittelbar verstehen – und bin auch da wieder auf den Fußball gestoßen."

Schließlich, so die Erkenntnis, könne auch jemand, der mit Sport sonst nichts zu tun hat, die Schlüsselbegriffe des Fußballs sofort erfassen. "Und so müssten auch wir als Kirche deutlicher und prägnanter sprechen."  

Auch in Punkto Ästhetik hält Thorsten Kapperer Fußball durchaus für vorbildhaft, auch weil er Woche für Woche tolle Bilder produziere. Sicher könne eine kleine Kapelle in dieser Hinsicht nicht ansatzweise mit Stadien à la Schalke oder Dortmund mithalten. "Aber wir können schon schauen, dass wir in unsere Gottesdienste ästhetische Aspekte einfließen lassen, damit da einfach mal etwas schön ist."

Bei den Interessen der Menschen

Außerdem, und auch das gehört zum Credo des Pastoralreferenten, muss sich die Kirche schlicht für das interessieren, für das sich die Menschen interessieren, muss sich mit dem beschäftigen, mit dem sich die Menschen beschäftigen.

Zum Beispiel also auch mit Fußball, der doch regelmäßig rund um den Globus ein Millionenpublikum zu faszinieren und fesseln vermag. "Und von daher muss Fußball per se ein Ort von Theologie sein, wo wir uns fragen: Wie wirkt Gott hier in diesem Feld?"  

Religiöse Facetten macht Thorsten Kapperer im Fußball viele aus, von einem Fußballgott dagegen will er nichts wissen. Theologisch gesprochen fehle dem Fußball das Moment der Transzendenz. "Also der Glaube daran, dass es noch etwas über diese Welt hinausgibt.

Wir Christen nennen es Gott, der unser Leben gewollt hat von Beginn an, der unser Leben zusammenhält und der auch immer wieder einwirkt auf unser Leben. Diese Dimension kennt der Fußball nicht und möchte sie auch nicht haben!" In diesem Sinne glaubt er zwar nicht an den Fußball an sich, aber schon daran, dass es die deutschen Fußballerinnen bei der WM mindestens bis ins Halbfinale schaffen.

Quelle:
DR