Der Freiburger Nikolai Prokoptschuk besuchte gerade seine Familie, die nördlich von Kiew lebt, als der Krieg begann. "Ich hörte morgens um sechs meinen Bruder telefonieren und habe mich noch gewundert, weil er nie so früh aufsteht. Dann schrie er: Es ist Krieg!"
Gut eine Woche später steht Prokoptschuk auf dem Hof einer evangelischen Schule in Freiburg. Um ihn herum stapeln sich Kartons.
Auf Ukrainisch und Deutsch beschriftet. Von zahlreichen Helfern sortiert in Babynahrung, Lebensmittel, Hygieneartikel und Medikamente. "Sofort nach Kriegsbeginn habe ich acht Kinder und zwei Frauen mit meinem Transporter aus der Ukraine in mein Zuhause Freiburg gefahren. An der ukrainisch-polnischen Grenze haben wir 60 Stunden gebraucht. Jetzt organisieren wir schon den zweiten 40-Tonner für die leidenden Menschen in der Ukraine."
Lieferketten zusammengebrochen
Fahrer Kovel Ukroine will den LKW am Wochenende an die polnische Grenze fahren, dort übernimmt ihn sein in der Ukraine gebliebener Vater, um ihn ins westukrainische Ternopil zu bringen. "Ich habe Angst um meine Familie. Aber wir versuchen so gut wie möglich zu helfen", sagt der junge Mann.
In Ternopil sind laut Prokoptschuk inzwischen Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer aus dem Osten und aus dem Raum Kiew gestrandet. Noch sei es dort verhältnismäßig sicher. "Die Menschen verstecken sich in Kellern. Und in den Geschäften gibt es nichts mehr zu kaufen, weil die Lieferketten zusammen gebrochen sind. Es gibt kaum noch Benzin. Dorthin geht unsere Hilfe."
Ein zweiter LKW der Hilfsinitiative soll sich von Polen aus auf den Weg machen. "Wir werden für rund 15.000 Euro, die bei uns als Geldspenden eingegangen sind, in einem polnischen Großmarkt einkaufen können."
Mitgetragen wird das Hilfsprojekt vom Freiburger Verein "S'Einlädele", der seit langem Menschen in der Ukraine unterstützt und auch ein Kinderheim mitbetreut. Die 150 Kinder und Jugendliche der Einrichtung sind nach einer gefährlichen Hilfsaktion inzwischen sicher in Freiburg angekommen. Oberbürgermeister Martin Horn sagte langfristige Hilfen für die Kinder zu und zeigte sich überwältigt von der Solidarität im Südwesten. Die Stadt hat inzwischen auch einen weiteren LKW mit medizinischen Hilfsgütern der Universitätsklinik Freiburg in die ukrainische Partnerstadt Lviv (Lemberg) geschickt.
Für einen großen Stromerzeuger fehlt noch die deutsche Ausfuhrgenehmigung.
Viele Menschen wollen helfen
Die Zahl der Menschen, die den Kriegsopfern in der Ukraine helfen wollen, ist im Südwesten groß. Gerade liefert ein Mann fünf Rollstühle an, eine Freiburgerin hat ihr Lastenrad mit Konservendosen bepackt und lädt sie für die Carepakete ab. Mitorganisator Tobias Höre nimmt die Hilfsgüter in Empfang und hilft beim Beladen des Lastwagens. "Unsere evangelische Schule hat seit mehreren Jahren immer an Weihnachten Pakete in die Ukraine geschickt. Und jetzt im Krieg war schnell klar, dass wir mehr tun wollen." Zahlreiche Helferinnen und Helfer packen mit an, sortieren und beschriften Kartons. Als Warenzwischenlager dient das Kunstatelier der Schule.
Auch Marie Schenk und Franziska Stöckli sind seit Tagen dabei und sortieren die angelieferten Spenden. "Wir wollten einfach nicht tatenlos zuschauen. Auch wenn wir wissen, dass unsere Hilfen nur ein kleiner Beitrag sein können."
Beteiligt haben sich zudem mehrere Supermärkte, die ihre Kunden im Auftrag der Initiative um Spenden baten. Ein Teil des LKW-Stauraums wird jetzt auch vom Roten Kreuz genutzt, die mit dem Transport, der spätestens am Samstag starten soll, für medizinisches Material und Krankenbetten nutzen werden. Kommende Woche will die evangelische Schule schon den nächsten LKW beladen. "Gut ist, dass wir durch die Unterstützung des Roten Kreuzes jetzt die Kanäle der großen Hilfsorganisationen nutzen können", sagt Nikolai Prokoptschuk. Dann klingelt schon wieder sein Smartphone.