Freiburger Journalist beurteilt Wirren um Gänswein

Hat Freiburg bald zwei Erzbischöfe?

Kurienerzbischof Georg Gänswein wird in den nächsten Tagen in Freiburg erwartet. Ist in der Stadt die Aufregung so groß wie in den Medien? Der Chefredakteur der "Herder Korrespondenz" aus Freiburg sieht darin eher ein Medienphänomen.

Gottesdienst mit Georg Gänswein (Archiv) / © Andreas Oertzen (KNA)
Gottesdienst mit Georg Gänswein (Archiv) / © Andreas Oertzen ( KNA )

DOMRADIO.DE: Die Gerüchteküche brodelt. Man munkelt inzwischen, dass der ehemalige Kurienerzbischof am kommenden Wochenende eine Wohnung im Freiburger Priesterseminar beziehen wird. Wie sieht es denn in Freiburg aus? Was bekommt man von diesen ganzen Vorgängen mit?

Stefan Orth (HERDER)

Dr. Stefan Orth (Chefredakteur "Herder Korrespondenz" aus Freiburg): Man bekommt hier gar nicht so viel mit. Es wird schon darüber geredet, weil wir auch lesen, dass es demnächst so weit sein soll. Es war davon die Rede, dass schon Schilder aufgestellt wurden, ein Umzug stünde am kommenden Freitag an. Dann waren die Schilder vor dem Priesterseminar wieder relativ schnell weg.

Wir sind alle sehr gespannt. Es wird schon immer wieder auch geschmunzelt und gemunkelt. Aber letztlich ist der Freiburger Katholizismus angesichts dieser Entwicklung doch sehr gelassen.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt Gänswein denn im katholischen Freiburg? Redet man darüber oder ist man eher vom Medienrummel ein bisschen genervt?

Orth: Nein, genervt ist man nicht. Irritierend ist gelegentlich, wenn man liest, es gäbe jetzt in Freiburg zwei Erzbischöfe. Das ist so ja nicht der Fall. Es gibt einen Erzbischof von Freiburg, das ist Stephan Burger.

Und der Papst hat Erzbischof Georg Gänswein jetzt nach Freiburg geschickt. Er hat diesen Titel erhalten, weil er für seine Rolle als Präfekt des Päpstlichen Hauses wichtig war.

Aber es macht natürlich einen Riesenunterschied, ob man nur diesen Titel hat oder ob man der Ortsordinarius ist. Da gibt es in Freiburg keinerlei Irritationen. Vielleicht hier und da die Sorge, dass einige Medien ihm immer wieder ein Mikrofon hinhalten und er dann mit seinen Äußerungen zur katholischen Kirche in Deutschland polarisiert. Aber das ist eigentlich  auch kein spezifisches Freiburger Phänomen

DOMRADIO.DE: Sie beschäftigen sich als "Herder Korrespondenz" auch mit den Geschehnissen in der Kurie. Wie ist es denn einzuordnen, dass der Papst jemanden, der doch so eine hohe Position als Präfekt des Päpstlichen Hauses hatte, jetzt erst mal "auf Weiteres" ohne Posten nach Hause schickt?

Orth: Na ja, dass es Spannungen zwischen Papst Franziskus und Georg Gänswein schon lange gab, ist ja kein Geheimnis. Das hat sich über Jahre aufgebaut, zugespitzt. Er ist ja schon vor einiger Zeit als Präfekt des Päpstlichen Hauses suspendiert worden, ohne dass er den Titel als solchen verloren hat. Dass irgendwann bei Papst Franziskus der Geduldsfaden reißt, weil ihm die Loyalität, die er von Georg Gänswein erwartet hat, nicht so entgegengebracht wurde, ist glaube ich, ganz klar.

Das Interessante an der jetzigen Situation ist, dass er andere Kurienkardinäle auch entpflichtet hat, die aber weiter in Rom wirken und sich dort zu Fragen der katholischen Kirche äußern. Das wollte er offensichtlich nicht mehr und hat gesagt, Georg Gänswein soll in seinen Heimatbistum gehen.

Stefan Orth

"(Der Papst hat) andere Kurienkardinäle auch entpflichtet, die aber eben weiter in Rom wirken."

DOMRADIO.DE: Trotzdem gibt es ein überwältigendes öffentliches Interesse an der Personalie Georg Gänswein. Wie erklären Sie sich das?

Orth: Ich sehe zwei Punkte. Zum einen hat er schon eine herausragende Rolle im Vatikan als engster Mitarbeiter und Vertrauter von zwei Päpsten zugleich gehabt. Papst Benedikt hat er begleitet, gepflegt, gleichzeitig war er Präfekt des Päpstlichen Hauses für Papst Franziskus. Das ist schon eine ungewöhnliche Situation gewesen.

Das zweite ist aber sicher mindestens genauso wichtig. Georg Gänswein hat eine gewisse Ausstrahlung, einen gewissen Charme, kann mit Medien umgehen, hat auch die Boulevardmedien immer gerne bedient. Das führt zu einer großen Bekanntheit. Er hat mit seinem Buch "Nichts als die Wahrheit" einen Bestseller gelandet. Das ist eine wichtige Sache in dem Zusammenhang.

DOMRADIO.DE: Bringt diese kommende Situation das Bistum in eine Zwickmühle, dass man nun eine polarisierende Figur am Rande sitzen hat, die aber eigentlich gar nichts zu sagen hat?

Orth: Das wird ganz darauf ankommen, welche Funktion Georg Gänswein übernehmen wird und ob er eine Funktion übernehmen wird. Ich vermute, Erzbischof Burger wird mit ihm, wenn er denn mal in Freiburg angekommen ist, darüber sprechen, was eine sinnvolle Aufgabe sein kann. Und da muss man weiter gucken.

Stefan Orth

"Völlig klar ist: Gänswein hat Anhänger, Gänswein hat Fans."

DOMRADIO.DE: Der amerikanische Kirchenexperte Michael Sean Winters hat im DOMRADIO.DE-Interview die These aufgestellt, die Bedeutung eines Bischofs habe nichts mehr mit seinem Bistum oder seiner Funktion zu tun, sondern nur noch damit, wie gut er sich medial verkaufen kann. Sehen Sie ein ähnliches Schicksal auch für Erzbischof Gänswein? Seine deutliche Kritik am Synodalen Weg zum Beispiel ist ja auch bekannt.

Orth: Das ist nicht auszuschließen. Völlig klar ist: Gänswein hat Anhänger, Gänswein hat Fans, Leute, die ihn gerne hören, die seine Kommentare zur kirchlichen Situation lesen oder hören wollen. Aber das ist dann, wie gesagt, eher ein Medienphänomen, ein Phänomen der sozialen Netzwerke und wird in Freiburg keine besondere Rolle spielen.

Hier sind die Verhältnisse klar. Hier geht es um die Führung eines Bistums. Und die ist in keiner Weise infrage gestellt.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Gänswein-Buch sorgt für Schlagzeilen

Auszüge aus einem Buch von Erzbischof Gänswein haben in italienischen Zeitungen für Schlagzeilen gesorgt. Die römische Tageszeitung "Il Messaggero" berichtete unter der Überschrift "Am Tag der Beerdigung ein Angriff von Georg gegen Bergoglio", dass Gänswein sich in dem Buch nachträglich über seine Beurlaubung durch Papst Franziskus beklage.

Erzbischof Georg Gänswein / © Paul Haring (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein / © Paul Haring ( KNA )
Quelle:
DR