Friedensaktivist sieht autonome Waffen kritisch

"Wir sprechen hier von einer Entmenschlichung"

Autonome Waffensysteme werfen ethische Fragen auf. Marius Pletsch von der Deutschen Friedensgesellschaft erklärt, wie diese Systeme arbeiten und welche ethischen Dilemmata dabei entstehen. Er wirbt für Abrüstungsinitiativen.

Über Waffenlieferungen an die Ukraine wird derzeit debattiert / © Bernd Weißbrod (dpa)
Über Waffenlieferungen an die Ukraine wird derzeit debattiert / © Bernd Weißbrod ( dpa )

epd: Worin genau liegt das ethische Problem bei autonomen Waffensystemen?

Marius Pletsch (Deutsche Friedensgesellschaft): Wir sprechen hier von einer Entmenschlichung, von Menschen, die zu Datenpunkten reduziert werden. Wenn auf der Basis von Sensordaten lediglich maschinell abgeglichen wird, ob ein Ziel in ein Zielprofil passt, was dann über Leben und Tod entscheidet, haben wir es mit einer Verletzung der Menschenwürde zu tun.

Marius Pletsch

"Außerdem können sie in kurzer Zeit so viele Ziele generieren, dass kein Mensch mehr mitkommt."

epd: Nun gibt es das Argument, dass Künstliche Intelligenz (KI) auf dem Schlachtfeld unnötige Opfer sogar reduzieren könnte. Diesem Argument zufolge ersetzen präzise Angriffe Flächenbombardements. Wie ordnen Sie das ein?

Pletsch: KI-Systeme sind technisch noch sehr fehleranfällig. Es ist fraglich, ob sie überhaupt in näherer Zukunft so weit verbessert werden können, dass man sie ohne enorme humanitäre Folgen einsetzen kann. 

Außerdem können sie in kurzer Zeit so viele Ziele generieren, dass kein Mensch mehr mitkommt. Der Effekt am Boden kann dann ähnlich schlimm wie bei einem Flächenangriff sein.

Ein Beispiel ist das israelische Lavender-System, das aus Kommunikationsdaten und Bewegungsmustern Ziele identifiziert. Israelische Soldaten sagten, sie hätten zu Beginn des Gaza-Kriegs nach dem 7. Oktober 2023 pro Ziel maximal zehn Sekunden mit der Prüfung verbracht. 

So kam es zu vielen zivilen Opfern. Inzwischen wird weniger stark bombardiert und anscheinend genauer prüft, sodass die Opferzahlen weniger stark steigen.

Marius Pletsch

"Ich würde dafür werben, die bestehenden Foren zu nutzen und neue zu schaffen, um Abrüstungsinitiativen zu stärken."

epd: Die Bundeswehr arbeitet derzeit an einer Doktrin für den Einsatz von KI, auch wenn derzeit nicht nach außen dringt, wie diese Doktrin aussehen mag. Vor fünf Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Ist der Einsatz von KI für Sie nach wie vor eine Grenze, die nicht überschritten werden darf?

Pletsch: Definitiv. Aber wir merken, dass der russische Krieg gegen die Ukraine die Debatte weiter erschwert hat. Staaten stellen sich momentan auf kriegerische Auseinandersetzungen ein, rüsten auf und wollen nicht im Nachteil sein. Es wird angenommen, dass die Gegner auf jeden Fall KI einsetzen.

Ich würde dafür werben, die bestehenden Foren zu nutzen und neue zu schaffen, um Abrüstungsinitiativen zu stärken. 119 Staaten unterstützen Verbote und Regulierungen von Autonomie in Waffensystemen, darunter auch China. UN-Generalsekretär António Guterres fordert den Abschluss von Verhandlungen bis 2026. Das wäre spät, aber nötig.

Das Interview führte Nils Sandrisser.

Quelle:
epd