Am Ende hat die Gesundheit nicht mehr mitgespielt. Fast 20 Jahre leitete Hans-Josef Becker das Erzbistum Paderborn. Vorzeitig bot er im vergangenen Jahr seinen Rücktritt an, den Papst Franziskus im Oktober annahm. Am Donnerstag wird der Geistliche 75 Jahre alt und erreicht damit das offizielle "Rentenalter" für katholische Bischöfe.
Längerer Ausfall im vergangenen Jahr
"Ich spüre, dass der Zeitpunkt einer verantwortungsvollen Übergabe meines Amtes gekommen ist", hatte Becker seinen vorzeitigen Rückzug begründet. Im August vergangenen Jahres unterzog er sich einer Darm-OP und fiel danach wegen einer Reha mehrere Wochen aus.
Inzwischen nimmt der Alterzbischof aber wieder Termine wahr; zuletzt eröffnete er die diesjährige Saison im Marienwallfahrtsort Werl bei Soest. Am Samstag vor Pfingsten spendete er in Paderborn zwei Männern die Priesterweihe.
Positive Bilanz und Kritik
Bei seiner Verabschiedung im Oktober zog Becker eine positive Bilanz: "Der Dienst als Erzbischof von Paderborn war mir eine Freude." Zugleich fand er auch kritische Worte. In der aktuellen Kirchenkrise offenbarten sich grundsätzliche Fragen. "Gott ist anziehend – nicht die Kirche mit ihren Strukturen und Machtverhältnissen", so Becker.
"Merkt man, dass der Magnet der Kirche Gott ist? Vor wem gehen wir in die Knie? Was ist uns heilig?" Auch im Reformprojekt Synodaler Weg habe er derartige Fragen zu wenig gehört. Er selbst habe "diese Frage nicht deutlich genug gestellt", räumte der Erzbischof ein.
Lokführer oder Geistlicher?
Becker kam am 8. Juni 1948 im sauerländischen Belecke als Sohn eines Eisenbahners zur Welt. Als Kind träumte er davon, Lokführer zu werden.
Seine Eltern beschrieb der Geistliche als "einfache, ehrliche Menschen", die ihm eine geborgene Kindheit in einem katholischen Milieu ermöglichten – mit Kirchgang am Sonntag, Tischgebet, Messdienerdiensten und der jährlichen Wallfahrt zur Werler Madonna.
Der Ortspfarrer sah in ihm schon einen angehenden Geistlichen. Doch der Abiturient Becker legte zunächst ein Studium zum Grund- und Hauptschullehrer hin, was ihn für seine spätere Zusatz-Aufgabe als Schulbischof prädestinierte. Erst während des Pädagogikstudiums freundete sich der Viola-Spieler mit dem Gedanken an, Priester zu werden.
Erst Weihbischof, dann Erzbischof
Nach seiner Priesterweihe 1977 und Kaplansjahren arbeitete Becker gut 15 Jahre lang als Pfarrer und Dechant in Lippstadt. Das Gemeindeleben ließ er hinter sich, als ihn der frühere Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt 1995 zum Personalchef machte. Fünf Jahre später wurde er Weihbischof in Paderborn.
2003 folgte er dem ein Jahr zuvor verstorbenen Kardinal Degenhardt an die Spitze des Erzbistums mit heute rund 1,4 Millionen Katholikinnen und Katholiken. Die Nähe zum Volk hat er sich auch als Erzbischof bewahrt. Gelegenheit dazu bot etwa Paderborns fünfte Jahreszeit: das traditionelle Liborifest – eine Mischung aus Kirche, Kirmes, Kultur.
Verantwortung für die Laien
Wegen der rückläufigen Kirchenmitglieder- und Priesterzahlen kam auch Becker nicht daran vorbei, größere pastorale Einheiten zu bilden. Dabei maß er den Laien eine größere Verantwortung zu. Beispielhaft dafür ist ein von ihm erlassenes Diözesangesetz von 2017.
Um die örtlichen Kirchenstrukturen zu erhalten, können Gemeinden seitdem sonntags zu Gottesdiensten ohne Priester einladen. Dabei bringen Kommunionhelfer geweihte Hostien aus einer Messfeier, die ein Geistlicher zeitnah in der Umgebung feiert – damals ein bundesweit einzigartiges Modell nach philippinischem Vorbild.
Aufarbeitung aus Beckers Amtszeit wird untersucht
Wie andere Bischöfe in Deutschland initiierte auch Becker eine Studie zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Erzbistum. Sie sollte zunächst nur die Jahre 1941 bis 2002 und damit die Amtszeiten der früheren Erzbischöfe Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt beleuchten, die laut erster Zwischenergebnisse gravierendes Fehlverhalten zeigten.
Die im vorigen Jahr gegründete unabhängige Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn empfahl vor wenigen Tagen, die Untersuchung auf Beckers Amtszeit auszuweiten. Auch für ihn persönlich werde von Bedeutung sein, welche Erkenntnisse die Studie ergebe, hatte der Alterzbischof gesagt. "Geht es um Verantwortung, nehme ich mich selbst nicht aus."