"Der Weltfriede kann auf die Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden." Eine Nummer kleiner ging es wohl nicht, als die Internationale Arbeitsorganisation ILO am 11. April 1919 in Versailles das Licht der Welt erblickte. Sieger und Verlierer des Ersten Weltkriegs rangen dort um eine neue Friedensordnung - die gerade einmal zwei Jahrzehnte Bestand haben sollte.
Dagegen überlebte die ILO den ebenfalls in Versailles ins Leben gerufenen Völkerbund - und ist heute, 100 Jahre später, eine der größten Sonderorganisationen innerhalb der Vereinten Nationen, die nach dem Zweiten Weltkrieg an die Stelle eben jenes Völkerbundes traten. Hauptsitz ist Genf.
190 Konventionen in 100 Jahren
Was Regierungen sowie Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei der ILO verhandeln, klingt nach trockener Materie. Und erscheint doch angesichts eines entfesselten Kapitalismus wichtiger denn je.
Wie lässt sich erreichen, dass die Rechte von Minenarbeitern in Kolumbien geachtet werden oder dass Globalisierung nicht nur den reichen Nationen nützt?
Schon das erste ILO-Übereinkommen von 1919 setzte Obergrenzen für die Länge von Arbeitstag und Arbeitswoche in der Industrie. Inzwischen gibt es fast 190 solcher Konventionen. Das Spektrum reicht vom Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz über das Mindestalter von Beschäftigten bis hin zu den Rechten von Seeleuten.
Im Zweiten Weltkrieg ging ein Teil der Genfer Zentrale ins Exil nach Kanada. Eine Vorsichtsmaßnahme, um die Organisation dem möglichen Zugriff totalitärer Mächte, namentlich Deutschlands, zu entziehen.
Die 1944 angenommene Erklärung von Philadelphia stellte, in der Endphase des Krieges, den Schutz der Würde und der Freiheit des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt. Und diente damit auch als Blaupause für die nach Kriegsende verabschiedete Charta der Vereinten Nationen sowie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948.
Rückkehr Deutschlands in die Gemeinschaft der Völker
Die ersten 50 Jahre der ILO-Geschichte krönte Ende 1969 der Friedensnobelpreis. Sowohl nach dem Ersten als auch nach dem Zweiten Weltkrieg ebnete die Organisation die Rückkehr Deutschlands in die Völkerfamilie. Frühzeitig nahm sie den einstigen Kriegstreiber als Mitglied auf.
Die historisch gewachsene Mitsprache der Gewerkschaften, der Leitgedanke der Sozialen Marktwirtschaft nach 1945: Sie sorgen dafür, dass es zwischen ILO und Deutschland "nur selten größere Meinungsunterschiede" gibt.
Gleichwohl stehen die Bundesrepublik und die hierzulande tätigen Unternehmen beim Schutz von Arbeitnehmern mitunter im Soll - gerade auch in anderen Teilen der Welt. Das zeigte etwa vor fünf Jahren der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch mit mehr als 1.100 Toten. Die dort produzierte Ware ging unter anderem an Kik und Adler.
Weltweit entbrannte daraufhin eine Debatte über menschenwürdige Arbeit. In Deutschland initiierte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ein Textilbündnis; die ILO koordinierte die Leistungen aus einem Entschädigungsfonds, in den viele der betroffenen Unternehmen auf öffentlichen Druck hin eingezahlt hatten.
Folgen von Migration und Klimawandel sowie die Zukunft der Arbeit sind einige der Themen, die im noch jungen 21. Jahrhundert auf der Agenda der ILO stehen.
Sicherheit, Chancengleichheit, Perspektiven: die Herausforderungen bleiben
Die Herausforderungen bleiben groß, wie der unlängst vorgelegte Ausblick auf das Jahr 2019 darlegt. Demnach haben Frauen immer noch deutlich weniger Teilhabe am Arbeitsmarkt als Männer. Einer Mehrheit der 3,3 Milliarden Beschäftigten weltweit mangele es zudem an materieller Sicherheit, Chancengleichheit oder ausreichenden Entwicklungsperspektiven. "Berufstätigkeit garantiert nicht immer ein annehmbares Leben."
Inzwischen sind 187 Staaten ILO-Mitglied. Nicht dazu gehört der Vatikan, der aus Gründen der politischen Neutralität lediglich einen Beobachterstatus bei der UN und ihren Organisationen hat.
Berührungspunkte gibt es indes einige. Schließlich ist Arbeit nach den Worten von Papst Franziskus "ein Schlüsselfaktor gesellschaftlicher Entwicklung".