Der Veranstalter "Seebrücke" sprach von mehr als 5.000, die Polizei von 3.900 Teilnehmern. Hamburg habe Platz genug, um weitere Flüchtlinge in Not aufzunehmen, sagte "Seebrücken"-Sprecher Christoph Kleine. Seit Tagen gehen Tausende Menschen in zahlreichen Städten Deutschlands gegen die EU-Flüchtlingspolitik auf die Straße.
Für Samstag waren außer in Hamburg Aktionen unter anderem in Berlin, Münster, Weimar, Ulm, Leipzig, Oldenburg und Rostock geplant. Auch in Städten in der Schweiz und in Österreich waren Kundgebungen angekündigt.
Zu der Hamburger Demo hatten zahlreiche Organisationen und Parteien aufgerufen, darunter Caritas, Diakonie, Flüchtlingsrat, Die Linke, Jusos, Grüne Jugend und Interventionistische Linke. Die Route führte vom Rathausmarkt über die Landungsbrücken zum Fischmarkt.
Krise der Solidarität: Es geht um Würde und Rechte
Es gebe derzeit keine Flüchtlingskrise, sondern eine Krise der Solidarität, sagte Dietlind Jochims, Flüchtlingspastorin der evangelischen Nordkirche in Hamburg. Es gehe um Menschen "mit Würde und Rechten". Aktuell gefragt seien Solidarität, die Achtung des Rechts und das Respektieren der Menschenwürde.
Viele Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos hätten Krieg, Folter und Misshandlung erlebt, berichtete die Ärztin Verena Atabay, die auf Lesbos gearbeitet hat. Minderjährige lebten allein in Zelten in Kälte und Nässe. Atabay: "Wir dürfen diese Menschen nicht im Stich lassen." Viele Flüchtlinge würden Fähigkeiten mitbringen, die in Deutschland gefragt seien.
Heiko Habbe von der Beratungsstelle "Fluchtpunkt" kritisierte, die EU-Außengrenze würde keine Feinde, sondern notleidende Menschen abwehren. "Ich schäme mich für dieses Europa." Er forderte eine Ende der staatlichen Gewalt, die Auflösung der Lager und faire Asylverfahren. (epd, 7.3.20)
Umfrage: Mehrheit ist gegen Aufnahme von Geflüchteten
Die Mehrheit der Menschen in Deutschland ist einer Umfrage zufolge dagegen, dass unbegleitete Flüchtlingskinder aus den griechischen Lagern nach Deutschland geholt werden. Laut der repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag) lehnen 51 Prozent eine solche Hilfsaktion ab. 39 Prozent befürworten eine Hilfe für die Minderjährigen. Der Rest ist in dieser Frage unentschieden.
Es gibt eine Diskrepanz unter den Anhängern verschiedener Parteien. Wähler von CDU/CSU lehnen es demnach mit großer Mehrheit (71 Prozent) ab, Flüchtlingskinder nach Deutschland zu holen. Noch größer ist die Ablehnung unter Anhängern der FDP (75 Prozent) und der AfD (96 Prozent). Die größte Zustimmung für eine Hilfsaktion gibt es unter Grünen-Wählern mit 69 Prozent und Anhängern der SPD mit 59 Prozent.
Die Organisation "Ärzte der Welt" übte in München scharfe Kritik an einer "politischen Instrumentalisierung" von Flüchtlingen an der türkisch-griechischen Grenze. Die Türkei missbrauche die Verzweiflung von Menschen, um Druck auf die Europäische Union und Griechenland auszuüben. Zugleich lasse die EU eine Verletzung internationaler Abkommen zu. Die Organisation beklagte zudem, dass Griechenland das Recht auf Asyl ausgesetzt habe. Sie verwies darüber hinaus auf die Gewalt auf den Inseln und in der Grenzregion sowie auf die Situation der Menschen in überfüllten Aufnahmelagern.
Europaweite Lösung finden
Mit Blick auf die Lage an der griechisch-türkischen Grenze hat der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, der Bundesregierung vorgeworfen, sich nicht um eine neue Asylgesetzgebung gekümmert zu haben. "Mein Vorwurf ist, dass man die Zeit des Rückgangs der Zahlen nicht genutzt hat, um in relativer Ruhe eine angemessene Lösung europaweit zu finden", sagte er im Interview der "Welt".
"Oder, wenn das nicht gelingt, eben nationale Reformmaßnahmen innerhalb europarechtlich belassener Spielräume einzuleiten." Humanität könne nur "im Rahmen von Verfassung, Gesetz und Recht praktiziert werden, nicht gegen sie". Das geltende Asylrecht sei reformbedürftig, so Papier. "Aber so lange eine neue europarechtliche Lösung nicht in Sicht ist, muss auf nationaler Ebene unter Beachtung des geltenden Rechts gehandelt werden. Man kann das nicht einfach schleifen lassen."
Papier schlug eine Vorprüfung möglicher Asylgründe vor der Einreise in die EU vor. "Zu diesem Zweck könnte ein elektronisches Verfahren der Einreisegenehmigung eingeführt werden. Sind Asylgründe offensichtlich nicht gegeben, würde die Einreise in diesem elektronischen Verfahren von vornherein und sehr zügig verweigert werden. Wenn dagegen diese Vorprüfung im elektronischen Verfahren ergibt, dass ein Asylantrag durchaus Erfolg haben könnte, wird die Einreise gestattet."