DOMRADIO.DE: Die Pfadfinder der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) in Essen singen am Mittwoch Abend schon zum zweiten Mal seit Ausbruch der Corona-Krise zusammen am Lagerfeuer, aber virtuell. Brandgefahr gibt es nicht beim virtuellen Lagerfeuer. Kommt denn trotzdem Stimmung auf?
Kaplan Maximilian Strozyk (Diözesankurat der DPSG in Essen): Absolut. Wir haben vor wenigen Wochen, als es mit der Pandemie losging, zusammengesessen und überlegt: Was machen wir als Diözesanverband, um die Stämme und Bezirke vor Ort zu unterstützen? Und das Lagerfeuer ist ja eine Sache, die uns als Pfadfinderinnen und Pfadfindern ins Blut geschrieben ist. Deshalb haben wir gesagt: Wir probieren das einfach mal aus und gucken, ob es klappt, und haben eine Online-Plattform gefunden, auf der wir gemeinsam gesungen haben - vor zwei Wochen, zum ersten Mal.
Da gab es kleine Kinderkrankheiten, wie, dass wir lernen mussten, dass es keine gute und kluge Idee ist, wenn alle gleichzeitig ihre Mikrofone anhaben und singen. Aufgrund der unterschiedlichen Übertragungsraten im Internet klang das furchtbar. Dann war es so, dass die Leute vor ihren Laptops und ihren PC saßen, mit dem Mikro und der Übertragung von zwei Gitarristen, die wir gefunden hatten, und alle haben gesungen.
Es gab Familien, die mit ihren Kindern im Garten ein Lagerfeuer gemacht haben und das über den Videostream geteilt haben, sodass man die Lagerfeuer-Stimmung noch einmal ganz hautnah mitbekommen konnte. Auch wenn es natürlich etwas anderes ist, im richtigen Zelt zu sitzen und zu singen. Trotzdem war es so möglich, irgendwie Gemeinschaft zu erleben. Ganz, ganz viele Leute haben hinterher zurückgemeldet: Das war das erste Mal seit langer Zeit, dass ich mal wieder mit mehr als zwei, drei Leuten zusammensaß. Das tat einfach gut.
DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich von der Aktion, jetzt noch ein weiteres Mal gemeinsam zu singen?
Strozyk: Zum einen ist gemeinsames Singen natürlich einfach eine Sache, die Spaß macht. Psychologisch gesehen kann man sagen: Wer singt, kann keine Angst haben, weil beim Singen das Angst-Zentrum ausgeschaltet ist, sodass es einen Mut machenden Aspekt haben soll. Unserem Diözesan-Verband ist es natürlich wichtig, die Gruppierungen und Stämme, aber auch die Menschen, die gar nicht zu den Pfadfinderinnen dazugehören, vor Ort zu ermutigen und zu sagen: Ihr seid nicht allein in dieser Situation. Sucht kreative Wege, um das zu spüren. Das ist die Idee, die hinter diesem Lagerfeuer steckt.
Außerdem ist das Singen am Lagerfeuer etwas, das uns als Pfadfinderinnen und Pfadfindern sehr am Herzen liegt, weil es ein Kirchenbild von uns als DPSG ist. Die Gemeinschaft am Lagerfeuer ist für uns auch etwas, was ganz, ganz viel mit Spiritualität zu tun hat, mit der Suche und der Frage nach Gott. Und das wird in dieser Gemeinschaft auch immer wieder deutlich und spürbar.
DOMRADIO.DE: Legendär sind ja die Pfingstlager der Pfadfinder. Jetzt ist es nicht mehr allzu lange bis Pfingsten. Gibt es schon irgendwelche Entscheidungen, ob die Lager stattfinden dürfen?
Strozyk: Das ist eine große Unsicherheit, in der wir gerade alle leben müssen. Wir haben uns entschieden, dort keine Entscheidungen zu treffen, solange die Politik das noch nicht getan hat. Das Wichtigste für uns ist natürlich die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen, für die wir verantwortlich sind. Aber letztendlich ist das eine Frage, die wir selbst gar nicht entscheiden können. Wir vertrauen da völlig darauf, dass diejenigen Expertinnen und Experten das tun, die das gut beurteilen können. Wenn die eine Empfehlung rausgehen, schließen wir uns natürlich sofort an.
DOMRADIO.DE: Ziel der Pfadfinder ist ja auch immer die Förderung der Entwicklung junger Menschen, damit sie in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen können. Kommt den Pfadfindern in dieser Zeit eine besondere Bedeutung zu? Können Sie in irgendeiner Weise helfen?
Strozyk: Absolut. Das Leben in tätiger Solidarität ist ja auch etwas, was zu uns einfach dazugehört. Es gibt unendlich viele Stämme vor Ort, die jetzt ganz selbstverständlich sofort bei den Einkaufsdiensten mitgeholfen haben und Menschen vor Ort unterstützen, indem sie die alltäglichen Dinge einkaufen - da mussten wir gar nicht groß aktiv werden und motivieren. Eine große deutsche Supermarktkette hat eine Kooperation mit einem Stamm hier in Mühlheim gestartet und versorgt jetzt die Menschen, die sonst über die Tafel in Mühlheim versorgt werden würden. Die Tafel hat momentan zu und dieser Supermarkt hat gesagt: Wir wollen für diese Menschen da sein, brauchen aber Jugendliche und junge Erwachsene, die uns beim Verteilen helfen. Auch da sind wir aktiv.
Ein Stamm aus Bottrop und Gladbeck hat angefangen, Karten mit Ostergrüßen zu schreiben, an die Bewohnerinnen und Bewohner von Altenheimen, die jetzt gerade sehr isoliert sind. Und auch da haben sich ganz, ganz viele Stämme inzwischen angeschlossen und machen das gleiche, um so kleine Zeichen der Hoffnung zu setzen. Und es ist natürlich auch eine Möglichkeit, sich selbst nochmal vor Augen zu führen: Wir können wirksam sein in dieser Zeit und können unseren pfadfinderischen Auftrag, unsere Identität, weiter leben.
Das Interview führte Tobias Fricke.