Kardinal Kasper bezieht Position zu Reformfragen in Kirche

"Geistliche Erneuerung, die wirklich in die Tiefe geht"

In einem Interview hat Walter Kardinal Kasper über seine Zeit mit drei Päpsten sowie über die aktuellen kirchlichen Diskussionen gesprochen. Von einem erneuten Aufwerfen der Streitfragen Zölibat und Sexualmoral hält er wenig.

Kardinal Walter Kasper / © Patrick Seeger (dpa)
Kardinal Walter Kasper / © Patrick Seeger ( dpa )

Walter Kardinal Kasper hat als Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen seit 1999 im Vatikan eng mit Päpsten zusammengearbeitet. Er sieht die letzten drei Päpste als ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, die jeweils mit ihren theologischen und persönlichen Einstellungen ihre Amtszeit geprägt haben und bewertet die Zusammenarbeit vor Ort positiv. Auch bei den letzten beiden Konklaven war er anwesend.

Sein Engagement im Gesprächskreis von St. Gallen unter Kardinal Martini, Erzbischof von Mailand, verteidigt der ehemalige Ökumeneminister des Vatikans in einem Interview für die "Herder Korrespondenz" (März). Dieses Zusammentreffen habe einen größeren Austausch zwischen den Amtsträgern der Kirche zum Ziel gemacht. "Ich hielt das für eine vernünftige Sache. Erklärungen oder Protokolle gab es keine, auch keine Agenda."

Vorwürfe im Sinne einer "Mafia", die Papstwahlen beeinflussen und die eigene Macht erweitern zu wollen, weist Kardinal Kasper zurück. Diesen Begriff habe Kardinal Danneels im Überschwang für diese Gruppe verwendet. Das sei dann von einigen Journalisten aufgegriffen worden, die daraus einen weißen Elefanten konstruiert hätten. Auch habe dieser Kreis 2005 nicht die Wahl Ratzingers zum Papst zu verhindern versucht, wehrt sich Kasper. "Die Vorstellung, man könnte 120 Kardinäle manipulieren, ist doch schon per se abwegig."

Streitfragen Zölibat und Sexualmoral ruhen lassen

Im Hinblick auf die aktuellen Streitthemen, die im Zuge des Missbrauchsskandals wieder aufflammen, zeigt sich der emeritierte Kurienkardinal wenig zuversichtlich, dass diese zu einer Lösung der Probleme führen würden. "Alle diese hinlänglich bekannten Streitfragen noch einmal aufzuwerfen, Zölibat, Sexualmoral und so weiter, bringt nichts." Das habe man auf der Würzburger Synode schon alles besprochen.

In Deutschland sei in erster Linie eine geistliche Erneuerung notwendig, die wirklich in die Tiefe gehe. "Zu meinen, man könnte mit den Reformen anfangen, der Rest komme dann schon – das geht schief." Auch könne man Priesterberufungen nicht machen. "Ich kann Priester nicht anwerben wie Mitarbeiter in der Industrie."

Dass es in Deutschland im Einzelfall einmal Viri probati geben könne, schließt Walter Kasper hingegen nicht aus. Auch Papst Franziskus habe gesagt, man solle darüber nachdenken. Doch müsse ein Nachdenken damit beginnen, was das überhaupt sein soll.

Es gebe eine ganze Reihe wichtiger Einzelfragen, die man zuerst klären müsse. "Nach welchen Kriterien wählen wir sie aus? […] Welche theologische Ausbildung sollen sie haben? Wie sollen sie eingesetzt werden, ehrenamtlich, hauptamtlich? Kann man sie notfalls versetzen, oder bleiben die da, wo sie schon ihr Haus und ihre Familie haben?"

Kritik am Manifest Kardinal Müllers

Über den Gegenwind, den Papst Franziskus von einigen Bischöfen und Kardinälen verspürt, zeigt sich Kardinal Kasper empört. Es sei ungeheuerlich, was ihm da teilweise an Illoyalität zugemutet werde. "Kardinäle, die doch in allererster Linie dazu da sind, dem Papst zu helfen, und die stattdessen öffentlich gegen ihn Stellung nehmen."

Auch kritisiert Kasper das aktuelle Manifest von Kardinal Müller. Was die theologischen Grundaussagen angehe, da stimme er mit seinem Dogmatikerkollegen überein. Doch die Formulierung in einer solchen schneidenden Sprache und ohne die nötige Differenzierung, lasse den Text spaltend und für viele verwirrend wirken. "Dann ist das nicht mehr im ursprünglichen Sinn des Wortes verstanden katholisch."

Ein Gespräch mit Kardinal Müller, der im selben Haus zwei Stockwerke über Kardinal Kasper wohnt, sei verabredet. Informelle private Gespräche unter Kardinalskollegen gebe es, aber leider viel zu wenig, bedauert Kasper. "Es besteht ein ausgesprochenes Kommunikationsdefizit innerhalb der Kurie."

 

Quelle:
DR