Gemeinsames Gebet von Christen und Muslimen

"Geistliche und virtuelle Verbindung"

Der interreligiöse Dialog lebt von der Begegnung. Die kann aber in Zeiten der Corona-Pandemie nicht stattfinden. Deshalb haben Christen und Muslime in NRW beschlossen, samstags gemeinsam zu beten – und zwar digital verbunden.

Kirche und Moschee  / © Harald Oppitz (KNA)
Kirche und Moschee / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie ist es zu dieser Initiative gekommen, dass man gesagt hat: Muslime und Christen, die beten jetzt gemeinsam, auch wenn es nur digital ist?

Prof. Dr. Thomas Lemmen (Experte für den christlich-islamischen Dialog im Erzbistum Köln): Der Dialog lebt von der Begegnung, die findet nicht statt. Da haben wir uns überlegt: Was kann man stattdessen machen, um den Zusammenhalt zwischen den Religionen weiter fortzuführen? Dann kam uns diese Idee zu einem multireligiösen Gebet. Die Idee ist, dass zur selben Zeit samstags um 18 Uhr Christen und Muslime Texte beten, die mit dem Thema auch dieser Situation zu tun haben, in der wir sind.

Das erste Gebet war beispielsweise zum Thema "allein sein" – wie gehe ich jetzt um mit dem Alleinsein? Oder das zweite Gebet zu Ostern und zum Beginn des Ramadan: Feste einsam Feiern. Was bedeutet das? Es geht zum einen um die geistliche und die virtuelle Verbindung, aber auch um das Thema, mit dem wir uns beschäftigen, und um die Situation, in der wir sind. Aus der Tiefe unseres Glaubens heraus wollen wir Antworten darauf suchen.

DOMRADIO.DE: Darüber hinaus ist es auch ein schönes Zeichen, zu zeigen: Wir sind nicht allein, ihr seid nicht allein. Auch an der Seite unserer muslimischen Schwestern und Brüder zu stehen, für die das genauso schwer ist momentan wie für uns Christen. Wer macht denn mit bei diesem multireligiösen Gebet von christlicher sowie auch von muslimischer Seite aus?

Lemmen: Die Initiative ist ausgegangen von der Christlich-Islamischen Gesellschaft hier in Köln, die vernetzt ist mit den Dialogbeauftragten der fünf Bistümer, der drei Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen und der muslimischen Organisationen. Über dieses Netzwerk wird die Initiative gestreut. Das heißt, alle diese Partner verbreiten die Texte in ihren Organisationen. Sie sind auch diejenigen, die mit an den Texten arbeiten. Somit hat diese Initiative im Grunde eine Verbreitung über die Kirchen und die Moscheegemeinden in Nordrhein-Westfalen gefunden.

DOMRADIO.DE: Wenn ich jetzt Interesse habe - wie komme ich an den Text?

Lemmen: Über die Internetseite der Christlich-Islamischen Gesellschaft: ChristenundMuslime.de. Dort wird der Text jeweils donnerstags eingestellt. Man kann sich den Text herunterladen und dann die Texte zu dieser Zeit beten. Oder ich verabrede mich mit Freunden telefonisch, über das Internet,  Skype oder wie auch immer und mache das gemeinsam. Das haben wir auch schon gemacht.

DOMRADIO.DE: Zurzeit ist ja der Fastenmonat Ramadan. Spielt das gemeinsame Gebet eine Rolle?

Lemmen: Natürlich. Wir haben sozusagen in der Osterzeit begonnen und jetzt sind wir für die Muslime in der Zeit des Ramadan, und das sind geprägte Zeiten. Das heißt, das wird thematisch vorkommen. Aber es sind natürlich auch Zeiten, in denen die Menschen noch sensibler sind für das Religiöse in ihrem Leben, weil sie sozusagen damit leben, weil es sie prägt und weil sie damit zu tun haben. In einer Zeit, in der man das jetzt nur sehr eingeschränkt verwirklichen kann, ist das, denke ich, vielleicht auch noch mal eine gute Alternative, trotzdem etwas zu machen.

DOMRADIO.DE: Es gibt Texte aus der Bibel und aus dem Koran, die gebetet werden. Passen die gut zusammen?

Lemmen: Das ist oft wirklich ein Zufall. Letztes Mal hatten wir das Thema Leben in Krankheit, und sowohl der muslimische Text als auch der christliche Text hat die Person Hiob thematisiert – also diese große Gestalt des Alten Testaments, die uns lehrt, wie man mit Leiden und Krankheit im Vertrauen auf Gott umgehen soll. Diese Person kommt sowohl im Koran als auch in der Bibel vor, und beide haben diese Person aufgegriffen und in ihren Texten thematisiert.


Thomas Lemmen / © Harald Oppitz (KNA)
Thomas Lemmen / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR