Wenn der Fastenmonat Ramadan beginnt, bleiben fast in der ganzen islamischen Welt die Moscheen geschlossen. Das gab es in der 1.400-jährigen Geschichte des Islam noch nie. Die drei wichtigsten Gotteshäuser in Mekka, Medina und auf dem Tempelberg von Jerusalem werden leer sein. Indonesien, das bevölkerungsreichste Land der umma, hat seinen Bürgern schon jetzt die traditionellen Verwandtenbesuche zum Fest am Ende des Ramadan untersagt. Denn ein Ende der Gefahr durch das Coronavirus ist nicht in Sicht.
Fastenmonat als Ausnahmezustand
In Deutschland haben sich die Muslime schon seit Wochen auf einen Fastenmonat im Ausnahmezustand eingestellt. Alle großen Moscheeverbände werden ihre Gotteshäuser und Gemeindezentren auch während des heiligen Monats bis auf Weiteres nicht öffnen. Das bedeutet, dass die allabendlichen Gemeinschaftsgebete und Koranrezitationen ausfallen oder nur per Livestream stattfinden. Vor allem aber werden die Gläubigen auf die öffentlichen iftar-Essen zum Fastenbrechen nach Sonnenuntergang verzichten müssen. In den vergangenen Jahren waren sie häufig auch eine Gelegenheit für interreligiöse Begegnungen, zu denen die Gemeinden Politiker oder Kirchenvertreter einluden.
Aber wie sieht es mit der Ansteckungsgefahr bei privaten iftar-Feiern aus, die viele Muslime üblicherweise im Kreis der erweiterten Familie begehen oder zu denen sie mit Freunden und Nachbarn zusammenkommen? "Wir haben unsere Gemeindemitglieder in den Online-Freitagspredigten und in Rundschreiben mehrfach aufgerufen, die Kontaktsperre einzuhalten. Das gilt auch für den Ramadan", sagte Zekeriya Altug vom Vorstand der türkisch-islamischen Ditib der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Man gehe davon aus, dass sich die Leute daran halten. "Wie überall in der Gesellschaft kann es auch unter Muslimen Unvernünftige geben, aber unsere Erfahrungen sind bislang sehr positiv, die Gemeinden verhalten sich verantwortungsvoll."
Zeit der Entbehrung
Der Ramadan, so Altug, sei nun einmal eine Zeit der Entbehrung. Der Verzicht auf Essen und Trinken während der Tageszeit stärke den Sinn für den spirituellen Wert des Lebens und konzentriere den Menschen auf Gott. "In diesem Jahr müssen wir leider auch auf die Gemeinschaft verzichten, auch wenn es schmerzt." Gerade das Gemeinschaftserlebnis, die Öffnung für die Mitmenschen und Speisung von Armen beim iftar ist ein zentrales Element des Ramadan. Zumindest lässt der Wegfall ausladender nächtlicher Festessen mit der Großfamilie dieses Jahr viel Raum für Besinnlichkeit.
Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) appellierte am Mittwoch an die Gläubigen, das Fastenbrechen "nur im engsten Kreis der Familie" zu begehen. Der Kampf gegen die Ausbreitung des Virus sei "unser Djihad", "unsere religiöse und zugleich bürgerliche Pflicht", erklärte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek.
Spendeneinbußen
Neben der Gefahr durch Ansteckung verwies er aber auch auf eine andere Bedrohung: Den Moscheegemeinden brechen durch den "Lockdown" die Spenden weg, die gerade im Ramadan besonders reichlich fließen. Viele Moscheen stünden bereits jetzt vor großen finanziellen Schwierigkeiten. Überweisungen könnten die Löcher nicht stopfen, denn die Menschen "spenden cash und vor Ort", sagte Mazyek im April der KNA. Bis zur Hälfte dieser Einnahmen würden jährlich besonders in der Ramadan-Zeit generiert, erklärte er nun dem "Spiegel". "Diese Spenden fallen fast komplett weg", so Mazyek, der den Staat zur Finanzhilfe aufruft.
Der Ramadan, eine der fünf zentralen Säulen der islamischen Religion, dauert bis zum 23. Mai. Dann beginnt das dreitägige Fest des Fastenbrechens, arabisch 'Id al Fitr. Fragt sich nur, in welchem Rahmen. Der Koordinationsrat der Muslime hat am Mittwoch zwar ein Konzept zur schrittweisen Öffnung der Moscheen beschlossen. Aber noch ist völlig unklar, ob, wann und in welchem Umfang wieder Gottesdienste stattfinden können, wie der Dachverband am Mittwoch erklärte. Zunächst wolle man das Spitzentreffen von Bund und Ländern am 30. April abwarten und sich mit Experten beraten. Die Gesundheit jedes Einzelnen stehe im Zentrum.