Generalsekretärin sieht evangelische Friedensethik wenig sprachfähig

"Viele verschiedene Stimmen"

Die Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags, Kristin Jahn, hat einen realistischeren Blick der evangelischen Friedensbewegung auf den Krieg in der Ukraine gefordert. Man könne dem anderen nicht verbieten, dass er sich wehrt.

Kristin Jahn, Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags / © Heike Lyding (epd)
Kristin Jahn, Generalsekretärin des Evangelischen Kirchentags / © Heike Lyding ( (Link ist extern)epd )

"Wir können uns nicht bequem zurücklehnen und das Thema Sicherheit auslagern, in der Hoffnung, dass uns schon irgendwer schützen wird. Das kann nicht unsere, nicht die Haltung der Kirche sein", sagte Jahn dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Wir müssen in der Realität anderer, totalitärer Weltbilder aufwachen. Darauf muss der Pazifismus eine eigene Antwort geben", forderte sie.

Bei der derzeitigen Sicherheitsdebatte infolge des Regierungswechsels in den USA sehe sie die evangelische Friedensethik nicht sehr sprachfähig. "Es gibt da viele verschiedene Stimmen. Darunter sind manche, die die Lage noch immer so beurteilen, als lebten wir in den 80er Jahren", sagte die Theologin. Beispielsweise sei sie skeptisch, wenn man die eigenen Erfahrungen aus der friedlichen Revolution in der DDR auf die Lage in der Ukraine übertrage und nur seinen eigenen Pazifismus bekräftige.

"Man kann dem anderen nicht verbieten, dass er sich wehrt. Die Debatten darüber werden wir auf dem Kirchentag führen", sagte Jahn. "Bei der Weltlage, in der wir heute nicht wissen, was übermorgen aus Amerika noch alles kommt, werden wir möglicherweise feststellen, dass auch unsere alten Denkmuster aus den 80er Jahren nicht mehr taugen." Der Kirchentag findet dieses Jahr vom 30. April bis 4. Mai in Hannover statt. In den 1980er Jahren war die Kirchentagsbewegung eine der Impulsgeber für die Friedensbewegung, die sich gegen die Aufrüstung im Kalten Krieg richtete.

Kirchentag

Alle zwei Jahre zieht der Kirchentag eine Stadt fünf Tage lang in seinen Bann. Über 100.000 Menschen jeden Alters, unterschiedlicher Religionen und Herkunft kommen zusammen, um ein Fest des Glaubens zu feiern und über die Fragen der Zeit nachzudenken und zu diskutieren.

Rückblick 2019: Deutscher Evangelischer Kirchentag - Segen zur Nacht / © Bernd Thissen (dpa)
Rückblick 2019: Deutscher Evangelischer Kirchentag - Segen zur Nacht / © Bernd Thissen ( (Link ist extern)dpa )