Genfer Krisentreffen zur Welthandelsrunde bleibt ohne Ergebnis - Seehofer enttäuscht

Sieg für arme Länder?

Der Abbruch der Welthandelsgespräche in Genf stößt auf ein geteiltes Echo. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer sprach am Dienstagabend in Berlin von einer verpassten Chance. Die Gespräche müssten trotz dieses Misserfolgs weitergehen. Entwicklungsorganisationen begrüßen das Scheitern der Verhandlungen dagegen als einen Sieg der armen Länder.

 (DR)

Die Welthandelsorganisation (WTO) hatte am Dienstagabend nach zehntägigen Verhandlungen ein Krisentreffen von rund 40 Staaten ergebnislos abgebrochen. Ziel der Gespräche war es gewesen, die seit Jahren stockende Welthandelsrunde voranzubringen. Die Verhandlungsführer der EU, der USA, Indiens und Brasiliens bekräftigten gleichwohl ihre Bereitschaft, die Gespräche zu einem anderen Zeitpunkt fortzusetzen.

«Die Zeit für einen weiteren Schritt zur Liberalisierung des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten und Industriegütern war offenbar noch nicht reif», bedauerte Seehofer. Angesichts steigender Nahrungsmittelpreise hätte er jedoch auf einen positiven Impuls für die Weltagrarwirtschaft gehofft, «auch und gerade zugunsten der Entwicklungsländer».

Die Verhandlungen sind laut Seehofer weder an der EU noch am Agrarsektor gescheitert. Die EU habe ihre Agrarmärkte bereits für die ärmsten Entwicklungsländer geöffnet und sei in den Verhandlungen «bis zur Schmerzgrenze» in Vorleistung getreten.

Die Entwicklungsorganisation Oxfam sieht dagegen die Ernährungssicherheit vieler Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas durch eine Öffnung der Märkte gefährdet. Die angebotenen Schutzregeln für die Wirtschaft der Entwicklungsländer seien zu schwach gewesen, sagte die Oxfam-Agrarexpertin Marita Wiggerthale am Mittwoch.

Die globalisierungskritische Organisation Attac Deutschland warnte vor einer Freihandelspolitik ausschließlich zugunsten des Nordens. Das «aggressive Vorgehen» der EU und der USA räche sich nun. So sei es etwa Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) vor allem um die deutsche Autoindustrie gegangen.

Das Krisentreffen der WTO war an einem Streit der USA mit den aufstrebenden Schwellenländern gescheitert. Indien und China hatten bis zuletzt Schutzklauseln für ihre Bauern vor Agrarimporten gefordert. Die USA, einer der großen Agrarexporteure, lehnten dies ab. Indiens Handelsminister Kamal Nath betonte: «Es ist unglücklich, dass wir in einer Entwicklungsrunde nicht übereinstimmen konnten.»

Die 2001 von den rund 150 WTO-Mitgliedern in Doha gestartete Welthandelsrunde wird auch Entwicklungsrunde genannt, weil sie besonders den Anliegen der ärmeren Länder Rechnung tragen soll.
Entwicklungsländer fordern bessere Chancen für ihre Bauern und einen Abbau der Agrarsubventionen in den Industrienationen. Die wohlhabenden Staaten verlangen einen besseren Zugang zu den Märkten des Südens für ihre Industriegüter. Verhandelt wird auch über eine Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen.

WTO-Generaldirektor Pascal Lamy, EU-Handelskommissar Peter Mandelson, die US-Handelsbeauftragte Susa Schwab sowie Vertreter von Brasilien und Indien betonten ihren Willen, die Verhandlungen über die Öffnung der Märkte später fortzusetzen. Diplomaten bezweifeln jedoch, dass es in absehbarer Zukunft wieder zu ernsthaften Gesprächen kommt. «Das kann lange dauern, da ist jetzt die Luft raus», hieß es.

Die Organisation «Public Citizen's Watch» betonte, die armen Länder hätten sich in Genf gegen eine Ausweitung der neoliberalen Handelsregeln erfolgreich zur Wehr gesetzt. «Gott sei Dank, ist kein Deal zustande gekommen», hieß es. Die WTO habe einen weiteren schweren Schlag erlitten.