Verhandlungen der Welthandelsrunde in Genf noch nicht abgeschlossen

Kompromiss zu Lasten der Armen?

Nach zähem Ringen hatten die 40 führenden Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) einen Durchbruch bei den Verhandlungen über die Öffnung der Agrar- und Industriemärkte erzielt. Von den Entwicklungsorganisationen kam Kritik. Jetzt wurde bekannt, dass auch aus den Reihen der Mitgliedsländern Nachbesserungen gefordert wurden.

 (DR)

Der Plan von EU, USA und großer Schwellenländer wie Brasilien gehe klar zu Lasten der ärmsten Länder, betonte Oxfam in Genf. Auch Länder wie Indien und Argentinien haben Änderungen gefordert. Sie fürchten, dass ihre heimische Landwirtschaft und die verarbeitende Industrie der Konkurrenz aus den Industrieländern jedoch nicht gewachsen wäre.

WTO-Sprecher Keith Rockwell sagte am Montag, der überarbeitete Text werde am Dienstag oder Mittwoch allen 153 WTO-Mitglieder vorgelegt. Jedes einzelne Mitglied, muss einem Abkommen zustimmen, bevor es in Kraft treten kann.

Chancen für Deutschland
Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) zeigte sich am Samstag bei Bekanntgabe der Annährung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern zufrieden. Im Grundsatz habe man die Senkung der Einfuhrbarrieren für Industriegüter und Agrarprodukte beschlossen, sagte er. Man haben einen wichtigen Schritt hin auf dem Weg zu einem Gesamtergebnis geschafft, so Seehofer. Ein Abschluss werde der Weltwirtschaft mehr Schwung geben und auch die armen Länder würden profitieren. Die WTO-Mitglieder müssten sich noch auf die Öffnung der weltweiten Servicemärkte einigen.

Laut dem von Seehofer vorgestellten Plan sollen 86 Prozent der Zölle auf einen Höchstsatz von 25 Prozent begrenzt werden. Dadurch könnten etwa in Deutschland Produkte wie Fisch, Schuhe und Textilien billiger werden, hieß es aus deutschen Delegationskreisen. Auch die deutsche Autoindustrie hätte bessere Exportmöglichkeiten. Verbraucher und Industrie profitierten von den Zollsenkungen, betonte Seehofer.

Eine zusätzliche Reform der EU-Landwirtschaft ist laut Seehofer nicht nötig. Deutschland als einer der größten Agrarexporteure könne auf neue Absatzchancen hoffen. EU-Kommissar Peter Mandelson betonte, dass einige Staaten weiter Vorbehalte hätten. Diplomaten bestätigten, große Entwicklungsländer wie Argentinien lehnten eine starke Öffnung ihrer Märkte für Industriegüter aus dem Norden weiter ab.

Massive Kritik
Die rund 40 Vertreter von Industrie- und Entwicklungsländern hatten sechs Tage um die Bedingungen für eine weitere Liberalisierung der Märkte gerungen. Nach Einschätzung von Oxfam wird sich die Kluft zwischen Arm und Reich erheblich vergrößern, sollte die auf dem Krisentreffen verhandelte Vereinbarung angenommen werden. Die armen Länder müssten ihre Märkte für Industriegüter viel stärker öffnen als die reichen Länder. Hunderttausende Arbeitsplätze im Industriebereich in den Entwicklungsländern würden wegfallen.

Zudem sei in dem Plan das Problem der milliardenschweren staatlichen Hilfen für die US-Baumwollfarmer ausgespart. Gegen die hochsubventionierten US-Betriebe hätten die Baumwollfarmer der afrikanischen Staaten Burkina Faso, Mali, Tschad und Benin keine Chance. Oxfam unterstrich, dass die WTO-Mitglieder 2001 die Welthandelsrunde mit dem Ziel gestartet hatten, die armen Länder besser in die Globalisierung einzubinden. Der jüngste Plan stehe diesem Ziel aber entgegen.

EU-Agrarexport-Subventionen sollen auslaufen
Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
(SPD) dagegen hofft nach eigenen Worten auf einen endgültigen Abschluss der Verhandlungen über einen gerechteren Welthandel. Die Ministerin räumte am Montag im Deutschlandfunk ein, ein «Teil des Agrarprotektionismus wird unter Garantie aufrecht erhalten». Zugleich würde ein Abschluss der Welthandelsrunde in Genf jedoch das vollständige Auslaufen aller Agrarexport-Subventionen in den Industrieländern nach sich ziehen. Das wäre ein ganz wichtiges Ergebnis zugunsten der Entwicklungsländer.

Die Kritik der Entwicklungsorganisationen wies die Ministerin zurück. Sie hob die Zugeständnisse der USA in den Genfer Gesprächen hervor und warnte, ein erneutes Scheitern der seit 2001 laufenden Verhandlungen würde die Chance der armen Staaten auf bessere Lebensbedingungen erheblich verringern.

Das Treffen in Genf galt als eine letzte Chance, die 2001 in Doha (Katar) gestarteten Welthandelsgespräche zu retten. Die reichen Staaten verlangen seit Jahren einen besseren Zugang zu den Märkten des Südens für ihre Industriegüter. Die großen Entwicklungs- und Schwellenländer wie Indien und Brasilien fordern bessere Absatzchancen für ihre Agrarprodukte auf den Märkten des reichen Nordens.