Die georgische Literaturszene dürfte außerhalb der Kaukasusrepublik bislang eher Spezialisten vertraut sein. Doch das könnte sich ändern: Im nächsten Jahr präsentiert sich das Land vom 10. bis zum 14. Oktober als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Ein Alphabet als immaterielles Unesco-Kulturerbe, eine Jahrhunderte alte literarische Tradition, Werke mit orientalischen und westlichen Einflüssen: Wer am Donnerstag auf der Buchmesse der Vorstellung Georgiens lauschte, konnte neugierig werden.
Auf der noch bis diesen Sonntag laufenden weltweit größten Bücherschau ist aktuell Frankreich Ehrengast - und das bereits zum zweiten Mal. Aus dem Nachbarland sind Literaturfreunden hierzulande nicht nur Stars wie Emile Zola, Jean-Paul Sartre oder das zeitgenössische "Enfant terrible" Michel Houellebecq bekannt. Frankreich gilt auch als eines der Länder mit dem dichtesten Netz an Buchhandlungen weltweit: Erfasst sind etwa 15.000 "Buchverkaufsstellen", davon 1.000 "echte Buchhandlungen".
Nur etwa 50 Buchläden in Georgien
Nun also Georgien. In dem rund 3,7 Millionen Einwohner zählenden Land (Frankreich hat rund 66,6 Millionen) gibt es nach den Angaben vom Donnerstag etwa 50 Buchläden. Weitere Zahlen wurden präsentiert: 2015 kamen mehr als 4.100 Buchtitel auf den Markt, bei einem Umsatz von umgerechnet rund 4,3 Millionen Euro und rund 100 Verlagen. Und: Am Sonntag will die georgisch-britische Sängerin Katie Melua - sie ist hierzulande deutlich bekannter als manch ein georgischer Autor - bei der Gastrollenübergabe von Frankreich an Georgien dabei sein.
Am Donnerstag vermochten es die Akteure der georgischen Präsentation, Lust auf die Literatur- und Kulturszene zu machen. Der Auftritt soll laut Kulturminister Mikheil Giorgadze eine "Feier der Literatur, Kultur und Kreativität" werden. Bis es so weit ist, sollen rund 500 Lesungen und Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum über die Bühne gehen - etwa auf dem Kölner Literaturfestival Lit.Cologne. Aktuell läuft ein Deutsch-Georgisches Jahr 2017.
Georgien sei eine der ältesten Kulturnationen und habe eine "für solch ein kleines Land" große Fülle an Kulturschätzen, so Giorgadze. Die Literatur wurde als "eine interessante Synthese von orientalischen und westlichen Einflüssen" vorgestellt.
Literarische Tradition und bewegte Geschichte
"Georgien blickt auf eine 15 Jahrhunderte lange literarische Tradition und eine bewegte Geschichte zurück",, erklärte Juergen Boos, Geschäftsführer der Buchmesse. Dieses kulturelle Erbe präge und inspiriere zeitgenössische Autoren. Messebesucher könnten eine "lebendige Literaturszene des kaukasischen Landes" entdecken. Schon auf der aktuellen Buchmesse hatten Autoren wie Beka Adamaschwili, Lasha Bugadze und Nestan Kvinikadze ihre Teilnahme angekündigt.
Zu Wort kam auch die georgische, in Hamburg lebende Autorin Nino Haratischwili - wegen Krankheit per Videobotschaft. Sie wünsche sich, dass "sich Georgien in Frankfurt in all seinen Widersprüchen und all seinen Extremen zeigt, in all seinen Fehlern und all seiner Pracht".
Es könne sich lohnen, "die europäische Literatur um die georgische zu erweitern - weil die Vielfalt, die Koexistenz von Verschiedenem als Idee genau das ist, was für mich Europa ausmacht und was heutzutage leider oftmals in Frage gestellt wird".
100. Jahrestag der ersten Unabhängigkeit von 1918
Im Jahr des Auftritts als Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse begeht Georgien den 100. Jahrestag seiner ersten Unabhängigkeit von 1918. Ein paar Jahre später gehörte es dann zur Sowjetunion; nach deren Zerfall wurde Georgien 1991 zum zweiten Mal unabhängig. Seitdem gibt es Konflikte um die Regionen Abchasien und Südossetien, die Eigenstaatlichkeit wollen. 2008 eskalierte der Konflikt nach einem Einmarsch georgischer Truppen in die südossetische Hauptstadt Zchinwali zum "Fünf-Tage-Krieg" zwischen Georgien und Russland.
Auf dem Feld der Kultur gehört nicht nur das georgische Alphabet mit seinen gerundeten Buchstaben zum Unesco-Welterbe, sondern auch die Kirche des Klosters Dshwari: Sie stammt aus dem sechsten Jahrhundert und ist eine der ältesten noch erhaltenen christlichen Kirchen weltweit. Ohnehin ist das orthodox geprägte Georgien eines der ersten christlichen Länder - 2016 war übrigens Papst Franziskus zu Gast.