"Wir brauchen die Kirchen, wir brauchen engagierte Christinnen und Christen, gerade in dieser Zeit", sagte Steinmeier in seiner Videobotschaft. Religionsvertreter hatten am Vormittag der Opfer der Schoah in der ÖKT-Gastgeberstadt Frankfurt gedacht. Am Samstag treten alle drei Kanzlerkandidaten bei dem weitgehend digitalen bundesweiten Christentreffen auf.
Steinmeier sagte, Christen könnten eine wichtige Rolle spielen, um zunehmenden Spaltungstendenzen in der Gesellschaft zu begegnen, die sich angesichts der Corona-Pandemie, im Kampf gegen den Klimawandel oder bei Fragen der Zuwanderung zeigten. Sie könnten auch Brücken bauen zu anderen Glaubensgemeinschaften und Menschen ohne Religion.
Fragen der Gerechtigkeit auf der Tagesordnung
Für die gastgebenden Kirchen erklärten der Limburger katholische Bischof Georg Bätzing und der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, der ÖKT bringe die großen Fragen der Gerechtigkeit - Klimagerechtigkeit, weltweite soziale Gerechtigkeit, Generationengerechtigkeit - auf die Tagesordnung. Zugleich lade er alle Christen ein, die Vielfalt der jeweils anderen Konfessionen und Kirchen kennenzulernen.
Auch der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, bekundete große Sorge über ein Auseinanderdriften der Gesellschaft in Deutschland. Mit Blick auf "Querdenker" und Wutbürger sagte er bei einer digitalen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung anlässlich des ÖKT, ein beachtenswerter Teil der Bevölkerung koppele sich vom demokratischen Diskurs ab und sei für Argumente nicht mehr erreichbar. Es sei eine riesige Herausforderung für Politik und Kirchen, mit diesen Menschen Kontakt zu halten.
Der religionspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Gröhe (CDU), zeigte sich auf derselben Veranstaltung überzeugt, dass die christlichen Kirchen auch in den kommenden Jahren starke Gesprächspartner der Politik blieben.
Würdigung des jüdisch-christlichen Dialogs
Dass der Freitag mit einem Gedenken begann, bezeichnete die evangelische ÖKT-Präsidentin Bettina Limperg als Tradition bei Kirchentagen - im Bewusstsein auch "christlicher Verantwortung für die Schuld, die wir auf uns geladen haben". Zum Erinnern gehöre, Gegenwarts- und Zukunftsverantwortung zu übernehmen. Der katholische ÖKT-Präsident Thomas Sternberg sagte, dass das Gedenken den jüdisch-christlichen Dialog in Deutschland würdigen solle.
Sternberg und Limperg erklärten in einer Mitteilung, sie hofften auf Frieden im Heiligen Land. Versöhnung sei ein langer Prozess, der mit dem "Schweigen der Waffen" beginne. Die Angrifffe auf Synagogen in Deutschland seien eine "verabscheuungswürdige Diffamierung von Angehörigen der jüdischen Religion und Kultur". Und: "Es ist eine ökumenische Aufgabe, unsere jüdischen Geschwister im Kampf gegen den Antisemitismus zu unterstützen."
Beim innerkirchlichen Konfliktthema Frauenweihe mahnte die Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Claudia Lücking-Michel, auf einer Veranstaltung der Adenauer-Stiftung, ihre Kirche könne es sich mit Blick auf die Gleichheit aller vor Gott nicht leisten, die Hälfte der Menschheit von den wichtigsten Diensten und Ämtern auszuschließen. Der Ex-Priester Eugen Drewermann kritisierte in einem Vortrag für die Zeitschrift "Publik Forum" die kirchliche Sexualmoral.