Hass und Häme im Internet sind bisweilen Folgen von Verletzungen: Das sagte die ehemalige SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Gesine Schwan, am vergangenen Mittwochabend in Potsdam. Wenn Menschen viele Ressentiments hätten und versuchten, andere zu demütigen, "dann habe ich den Eindruck, dass sie sich auch selbst oft gedemütigt gefühlt haben", erklärte die frühere Viadrina-Rektorin. Sie äußerte sich bei einer Veranstaltung des Caritas-Verbands für das Erzbistum Berlin.
Frustrationen der Menschen in Ostdeutschland
Schwan kritisierte darüber hinaus den Umgang, den viele Westdeutsche nach 1989 mit DDR-Bürgern gepflegt hätten: "Haben Sie schon einmal einen Ostdeutschen gehört, der nach Westdeutschland gekommen ist und da die Menschen gefragt hat: Na, wie hast Du Dich denn in der Zeit verhalten?" In Westdeutschland sei die Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem rasanten Abbau der Arbeitslosigkeit aufgebaut worden, in Ostdeutschland seien hingegen nach 1989 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen. Dort gebe es viele Frustrationserfahrungen. "Dass sich die Ostdeutschen 1989 selbst befreit haben, ist ja völlig untergegangen", kritisierte sie.
Spaltung der Gesellschaft
Die Sozialdemokratin, die im vergangenen Jahr für den SPD-Parteivorsitz kandidiert hatte, erklärte zudem, dass die Ausübung politischer Ämter heute schwerer sei als noch vor zehn Jahren. "Die Aufgabe, eine Partei zu leiten, zusammenzuhalten, ist schwieriger geworden", sagte Schwan. Die Gesellschaften seien viel komplizierter und klafften stärker auseinander als früher. "Ich weiß nicht, wie Willy Brandt sich in dieser jetzigen Mediengesellschaft hätte halten können."
Die Berliner Caritas-Direktorin Ulrike Kostka nannte es bedrohlich, dass es eine nicht geringe Zahl an Menschen gebe, die sich abgehängt fühlten. Zudem gehe es immer mehr Leuten in der politischen Debatte nur noch um Empörung. Sie bedauere die große Ratlosigkeit, die in Parteien und Kirchen an dieser Stelle herrsche, so Kostka.
Bundesrat befasst sich mit Vorschlägen zum Kampf gegen Hass im Netz
Der Bundesrat befasst sich am kommenden Freitag mit einer niedersächsischen Initiative für eine bundesweite Identifizierungspflicht im Internet. Der Antrag sieht vor, dass Nutzer bei der Registrierung in sozialen Netzwerken künftig Namen, Anschrift und Geburtsdatum angeben müssen. So sollen die Betreiber der Plattformen Personen identifizieren können, die bisher oft unter anonymen Accounts oder unter Pseudonym Hass und Hetze verbreiten. Die meisten Bundesländer, darunter auch Nordrhein-Westfalen, wollen sich noch nicht festlegen, ob sie den Vorschlag unterstützen. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern schloss sich dem Entwurf an. Hamburg und Bremen legten eine eigene Bundesratsinitiative gegen Hasskommentare im Internet vor.
Bessere Verfolgung von Straftaten im Netz
Ziel des niedersächsischen Antrags ist es, Straftaten im Internet besser verfolgen zu können. Bisher stoßen Ermittlungen wegen übler Nachrede, Beleidigung oder Bedrohung nach Angaben der Landesregierung sehr rasch an Grenzen. Unter der Verwendung von Pseudonymen könne bislang jede Person uneingeschränkt Kommentare abgeben, ohne eine rasche Identifikation befürchten zu müssen. Der Entwurf sieht vor, dass künftig Ermittlungsbehörden bei Netzwerkbetreibern die hinterlegten persönlichen Daten der Nutzer abrufen können. Dies soll durch eine Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes festgeschrieben werden. Eine Klarnamenpflicht wird ausdrücklich nicht gefordert.
Der Vorschlag wird am 14. Februar im Plenum des Bundesrats vorgestellt und dann in den Fachausschüssen beraten. Neun Bundesländer wollen sich erst dann zu dem Antrag positionieren, wie die zuständigen Landesministerien mitteilten. Entsprechend äußerte sich etwa die Düsseldorfer Staatskanzlei für Nordrhein-Westfalen. Aus Hessen, Thüringen und dem Saarland lagen bis Mittwochnachmittag keine Stellungnahmen vor.
Facebook und Twitter in die Pflicht nehmen
Auch die Initiative Hamburgs und Bremens steht auf der Tagesordnung. Sie zielt darauf ab, dass Ermittler im Fall von Hasskommentaren von den Plattformbetreibern die verwendete E-Mail-Adresse und die IP-Adresse bekommen können. Dazu sollen nach einem "Marktortprinzip" auch Anbieter mit Sitz im Ausland wie Facebook und Twitter verpflichtet werden, deutschen Behörden Auskunft zu erteilen. Bisher verweisen diese laut Entwurf häufig auf den Rechtshilfeweg über die landeseigenen Justizbehörden.