Wenn der Hilfskonvoi die Tore des Flüchtlingslagers passiert, dann steigt die Stimmung. Bei den einen ist es Erleichterung, bei den anderen Wut. In Dadaab kommt es darauf an, auf welcher Seite des Zauns man steht. Vor 25 Jahren stampften die Vereinten Nationen das größte Flüchtlingslager der Welt aus dem Savannenboden, um Kriegsvertriebene aus Somalia aufzunehmen. Seitdem kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen den Flüchtlingen und den Bewohnern der angrenzenden Siedlung.
Normaden fühlen sich alleingelassen
"Wir erkennen die enormen Opfer an, die Kenianer durch die Bewirtung somalischer Flüchtlinge gebracht haben", sagte Ron Redmond, Sprecher des UN-Flüchtlingskommissariats, vor fünf Jahren. Allerdings fühlen sich die Bewohner von Dadaab, größtenteils Viehhirten, die das Nomadenleben aufgegeben haben, mit ihren Problemen alleingelassen.
"Die Debatte um Dadaab weckt nicht viel Interesse in Kenia. Nur wenige Medien berichteten darüber, als Staatspräsident Uhuru Kenyatta das Thema vor kurzem beim Humanitären Weltgipfel in Istanbul ansprach", sagt Peter Aling'o, Politologe am Institut für Sicherheitsstudien (ISS).
In der Region Garissa würden die Flüchtlinge aus dem Nachbarland als "Eindringlinge" wahrgenommen, so der Experte weiter - ein ironischer Umstand. Denn wenngleich Kenianer, sind die Bewohner der Region ethnische Somalis und gehören somit derselben Volksgruppe an wie die Flüchtlinge.
Kampf um Ressourcen
Dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zufolge ist das Leben im Nordosten Kenias ein ewiger Kampf um Ressourcen wie Feuerholz, Wasser oder Weideland. Nicht nur das Flüchtlingscamp wuchs in den vergangenen Jahren rasant. Mehrere Dürren ließen auch immer mehr kenianische Nomaden sesshaft werden, und so verzehnfachte sich Dadaabs Bevölkerung - binnen 21 Jahren.
Die Beziehung zwischen Bewohnern und Flüchtlingen litt unter der Überbevölkerung. "Wir dachten, wir würden von der Anwesenheit dieser Menschen profitieren", sagt der 59-jährige Händler Abdi Hussein. "Stattdessen geht es uns schlechter, während sie ein florierendes Leben führen." Wiederholt artete der Konflikt in Handgreiflichkeiten zwischen Bewohnern und Flüchtlingen aus.
Kaum Arbeitsplätze, Armut, schwindende Ressourcen. Und jenseits des Zauns tausende Flüchtlinge unter dem Schutz der UNO, die kostenlos Wasser, Getreide und Hygieneartikel erhalten. "Einige Kenianer stehen im Verdacht, sich als somalische Flüchtlinge registriert zu haben, um Zugang zu Hilfslieferungen zu erhalten", sagt Franco de Paoli, Vertreter des Malteserordens in Nairobi. Beobachter sprechen von einer "Überlebensstrategie" in Dadaab.
Profit mit Flüchtlingslager
Allerdings profitieren die Bewohner auch auf andere Weise von den Flüchtlingen: Gemeinsam bilden die Siedlung Dadaab und das Lager eine der größten Städte Kenias. "Man darf nicht vergessen, dass das Camp jährlich 12 Millionen US-Dollar in die umliegende Region fließen lässt und die Geschäfte im Camp 20 Millionen Dollar erwirtschaften.
Das ist eine Menge Geld für die Halbwüstenregion", so de Paoli. Den größten Profit machen Kenias Händler nicht in der Siedlung, sondern bei den Flüchtlingen. Zudem kamen mit den Somaliern Geschäfte, Schulen und Kliniken nach Dadaab.
An der Wahrnehmung der verarmten Bewohner der Region änderte all das wenig. Das erkannten zuletzt auch die Entwicklungspartner. Sie wollen die Gastgeber jetzt gezielt stärken. Das Rote Kreuz bietet kostenlose Behandlungen an und startete im Dezember ein Recyclingprogramm, das die Gesundheitslage verbessern und Jobs schaffen soll. Das Kinderhilfswerk Unicef gräbt Brunnen, und das UNDP brachte den Viehhirten neue Farmtechniken bei. Frauen können dank des Verkaufs von Kamelfleisch jetzt ihre Familien ernähren. Mit Geldern des UN-Treuhandfonds für menschliche Sicherheit (UNTFHS) konnten zudem die Ernährungssicherheit und der Zugang zu Wasser gestärkt werden.
Für Dadaab kam der Einsatz jedoch möglicherweise zu spät. Bis Mai will die kenianische Regierung die Somalier rückführen und das Lager schließen - aus Sicherheitsgründen.