DOMRADIO.DE: Der neue mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador hat tausende Soldaten an die Grenze zu den USA geschickt. Kritiker sagen, Mexiko nehme den USA damit die Drecksarbeit ab. Warum kommt Mexiko diesen Forderungen von US-Präsident Donald Trump nach?
Monika Lauer Perez (Katholisches Lateinamerikahilfswerk Adveniat): Zunächst einmal hat der mexikanische Präsident während seines Wahlkampfes eine große Nähe zu den Armen und Unterdrückten gezeigt. Das hat viele Hoffnungen unter den Migranten aus den mittelamerikanischen Ländern geweckt. Das heißt, sie haben sich vermehrt auf den Weg gemacht. Das führte zu einer immensen Anzahl von Flüchtlingen an der Grenze zwischen Mexiko und den USA.
Dann hat Trump den mexikanischen Präsidenten sozusagen unter Druck gesetzt, hat ihm Strafzölle angedroht, falls er die Migranten nicht aufhalte. Konsequenz aus dieser Forderung sind nun die vielen Soldaten an der Grenze. Außerdem werden, weil auch die Mexikaner das Ganze nicht mehr schultern können, tatsächlich Bürgerwehren gebildet. Ein menschliches Drama zieht das andere nach sich. Es ist wirklich eine sehr komplexe Situation dort.
DOMRADIO.DE: Im Moment sieht es so aus, dass Mexiko schon 6.000 Soldaten an die Südgrenze geschickt hat. 15.000 sollen jetzt an die Nordgrenze zu den USA kommen. Ist so ein Einsatz überhaupt realistisch?
Lauer Perez: Die Grenze dicht zu machen, wird auf keinen Fall funktionieren. Dafür ist sie einfach zu lang und zu unübersichtlich. Aber Gewalt und Grausamkeiten werden weiter zunehmen und viele Menschen werden leider Gottes auch ihr Leben verlieren oder jedenfalls das wenige, was sie überhaupt noch zum Überleben haben und brauchen. Und: Die Migranten werden sich nicht abschrecken lassen. Sie werden genau wie die Migranten im Mittelmeer ihr Leben weiterhin aufs Spiel setzen und versuchen, über diese Grenzen zu kommen.
DOMRADIO.DE: Es gibt ein Foto von einem Vater und seiner Tochter, die aus El Salvador gekommen und in einem Grenzfluss ertrunken sind. Was sagen uns solche Bilder über die Situation?
Lauer Perez: Dass Flucht mit unsäglichen menschlichen Dramen verbunden ist. Die Menschen gehen ja nicht einfach nur so, sondern für sie ist es ein ein erzwungener Zustand. Sie wissen sich nicht mehr zu helfen und sagen: Das Einzige, was uns jetzt noch übrig bleibt, ist wirklich woanders unser Leben neu aufzubauen.
DOMRADIO.DE: Im vergangenen Monat sollen 144.000 Menschen illegal über die mexikanische Grenze in die USA eingereist sein. Gibt es denn eine Alternative dazu, mit militärischen Mitteln vorzugehen?
Lauer Perez: Ich denke, die humanitäre Hilfe müsste über den wirtschaftlichen Interessen stehen. Leider Gottes ist das nicht der Fall. Das sehen wir ja auch hier bei uns. Immer wieder werden Migranten stigmatisiert, ausgegrenzt, ziehen Hass auf sich. Dabei haben sie wirklich jede Hilfe und Unterstützung verdient.
DOMRADIO.DE: Spielt da auch die Kirche eine Rolle?
Lauer Perez: Die Kirche spielt auch eine Rolle. Auch in Mexiko hat sich die Kirche deutlich positioniert und hat den mexikanischen Präsidenten darauf hingewiesen, dass Migranten nicht kriminalisiert und stigmatisiert werden dürfen. Auch Papst Franziskus spricht sich immer wieder dafür aus, Menschlichkeit zu zeigen, die Migranten aufzunehmen und ihnen jede Hilfe zuteil werden zu lassen.
DOMRADIO.DE: Jetzt kommen die meisten Flüchtlinge nicht aus Mexiko selber, sondern aus den anderen lateinamerikanischen Ländern El Salvador, Guatemala, Honduras. Wie steht die Kirche in diesen Ländern zu dieser Situation?
Lauer Perez: Im Grunde genommen versucht die Kirche in diesen Ländern, an den Fluchtursachen zu arbeiten. Aber das ist natürlich eine sehr langwierige Arbeit, die man nicht von jetzt auf gleich erledigen kann. Das ist eher eine langfristige Hilfe. In den konkreten Notsituationen ist die Kirche natürlich auch präsent. Aber das reicht nicht, um die Flüchtlingskarawanen aufzuhalten.
DOMRADIO.DE: Sie sind als Hilfswerk für die Christen in dieser Region zuständig. Welche Hilfe bieten Sie an?
Lauer Perez: Adveniat unterstützt etliche der 130 Flüchtlingsunterkünfte, die die katholische Kirche in Mexiko entlang der Fluchtrouten betreibt und die ständig restlos überfüllt sind. Die Menschen werden dort aufgenommen, können ein paar Nächte ruhig schlafen, können ihre Krankheiten auskurieren, die blutenden Füße heilen lassen und versuchen, mit den Traumata, die sie erlebt haben, fertig zu werden. Bei all dem unterstützt Adveniat die Arbeit der Kirche in Mexiko.
In den Herkunftsländern der Migranten sind es vor allen Dingen längerfristige Angebote wie Bildungsangebote, um Jugendlichen eine Perspektive zu schaffen. Außerdem unterstützen wir Programme gegen Gewalt. Denn die Bandengewalt ist eines der Hauptprobleme in den mittelamerikanischen Ländern.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.