Görlitzer Bischof Ipolt warnt vor Siemens-Schließung

"Menschen droht Abwärtsspirale"

Von der Schließung des Turbinenwerks wären bis zu 960 Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region betroffen. Bischof Wolfgang Ipolt sieht die Existenz vieler Menschen gefährdet und schreibt einen "Offenen Brief" an den Aufsichtsrat.

Siemenswerke drohen Schließung / © Maja Hitij (dpa)
Siemenswerke drohen Schließung / © Maja Hitij ( dpa )

Der katholische Bischof Wolfgang Ipolt dringt weiter auf einen Erhalt des Siemens-Turbinenwerks in Görlitz. Die beabsichtigte Schließung wäre "eine wirtschaftliche Katastrophe", schreibt er in einem am Montag verbreiteten "Offenen Brief" an den Aufsichtsrat der Siemens Aktiengesellschaft. Außer dem Verlust von etwa 720 gut bezahlten Stellen im Werk würden tausende Arbeitsplätze etwa in Zulieferbetrieben der Region "mittelbar in ihrer Existenz bedroht". Mit einem ähnlichen Schreiben wandte sich Ipolt auch an den Siemens-Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser. 

Wirtschaftliche und soziale Folgen

"Wenn Siemens in Görlitz geschlossen wird, werden wir um Jahre zurückgeworfen", betont der Bischof des Bistums Görlitz in dem Brief an das Gremium. "Verbunden mit dem bevorstehenden Ausstieg aus der Braunkohle und mit den Unwägbarkeiten beim kanadischen Schienenfahrzeugbauer Bombardier droht den Menschen in meinem Bistum eine wirtschaftliche, soziale und gesellschaftspolitische Abwärtsspirale."

Ipolt appelliert an den Aufsichtsrat: "Suchen Sie gemeinsam mit Ihrer Belegschaft und den politisch Verantwortlichen nach Wegen, um das Görlitzer Siemens-Werk als industriellen Kern zu erhalten." Die Görlitzer Turbinen seien zukunftssicher auf die Energiewende ausgerichtet, "und die Görlitzer Siemensianer sind hoch loyal". Unter diesen Bedingungen könne für einen so großen deutschen Technologiekonzern eine Werksschließung nicht die einzige Option sein.

Zusammenhang mit der deutschen Wiedervereinigung

In seinem Schreiben stellt der Bischof die Frage auch in den Zusammenhang der deutschen Wiedervereinigung: "Auf die Menschen zugehen, die von solchen Umwälzungen betroffen waren und sind, das war in den Jahren seit der politischen Wende 1989 hier im Osten vielfach Mangelware." Es wäre aber nötig gewesen, um ein besseres Zusammenwachsen zwischen beiden Teilen Deutschlands voranzubringen.

Seit einem Vierteljahrhundert sei der Osten Sachsens sehr stark von Deindustrialisierung und Abwanderung betroffen. Allein die Stadt Görlitz habe ein Viertel ihrer Einwohner verloren. Tausende junge Menschen hätten ihre Heimat verlassen, um anderswo Arbeit zu finden. Zurückgeblieben seien meist die Älteren, die wegen des Wegzugs ihrer Angehörigen oft einsam seien.


Bischof von Görlitz, Wolfgang Ipolt / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof von Görlitz, Wolfgang Ipolt / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
dpa