Bei einer Bußfeier im Kölner Dom hat das Erzbistum Köln Schuld wegen der Missbrauchsfälle in der Kirche bekannt. "Von Priestern und weiteren kirchlichen Mitarbeitern unseres Bistums ist eine große Zahl von Verbrechen sexualisierter Gewalt an Schutzbefohlenen verübt worden", sagte Übergangsverwalter Rolf Steinhäuser am Donnerstag. "Ich kann mich nicht für die Täter entschuldigen." Jeder könne nur seinen eigenen Teil der Verantwortung übernehmen. "Ich habe die Betroffenen nicht im Blick gehabt. Das ist mein Versagen und meine Sünde", bekannte der Weihbischof, der derzeit Erzbischof Rainer Maria Woelki in dessen Auszeit vertritt.
Er habe noch nie erlebt, dass ein Gottesdienst im Vorfeld so heftig umstritten gewesen sei, sagte Steinhäuser. Als "Chef der Täterorganisation Erzbistum Köln" habe er die Feier aber nicht absetzen oder auf später verschieben wollen. Es gehe um Schuldbekenntnis, Gedächtnis der Betroffenen und Fürbitte.
Selbstkritische Töne
"Dieser Bußgottesdienst endet nicht mit der Vergebung", betonte Steinhäuser weiter: "Wir können uns nicht selbst absolvieren. Wir bitten auch nicht die Betroffenen um Vergebung, damit es uns besser geht." In den wenigen Wochen als Übergangsleiter habe er erfahren, dass sexueller Missbrauch keineswegs ein Thema längst vergangener Zeiten sei. "Wir dürfen die Fratze des Bösen nicht zudecken. Nicht verharmlosen, nicht vertuschen, nicht bagatellisieren und auch nicht vorschnell den liebenden und vergebenden Gott bemühen", sagte der Weihbischof.
Der Bußgottesdienst war seit Langem geplant. Wegen der Querelen um die Missbrauchsaufarbeitung von Kardinal Woelki und der "medialen Lage" sei die Feier bislang nicht zustande gekommen, hieß es. Nun wurde sie am "Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch" angesetzt.
Beteiligung des Betroffenenbeirats
Der Betroffenenbeirat des Erzbistums gestaltete die Feier mit. Es sei wichtig gewesen, die Folgen von Missbrauch sichtbar zu machen und die Schuld von Verantwortlichen und Tätern zu benennen, erklärte das Gremium. Zu Gehör kam etwa ein Lied von Sprecher Peter Bringmann-Henselder über seine Missbrauchserlebnisse in der Kindheit. "Ich liege hier im Bett, ich hätte mich so gern versteckt", heißt es etwa in dem Text. Auf der Altarinsel brannten Dutzende Kerzen als Symbol für die mit Vornamen benannten Betroffenen sowie eine große Kerze für alle ungenannten.
Wegen möglicher emotionaler Reaktionen hatte der Rat darauf hingewirkt, dass zu dem Bußgottesdienst keine Medienvertreter und nur rund 230 geladene Gäste zugelassen wurden. Während der Feier protestierten vor dem Dom rund 20 Personen der Initiative Maria 2.0 Rheinland. "Solidarität mit Missbrauchsbetroffenen" und "Schluss mit Männerbünden" stand auf Plakaten.
Kritik und Demonstrationen
Als "völlig oberflächliches Signal" bezeichnete Sprecherin Maria Mesrian den Gottesdienst. Auch die Initiative "Wir sind Kirche" äußerte sich kritisch: "Ein Bußgottesdienst kann dann Sinn machen, wenn den frommen Worten ebenso ernsthafte Taten vorausgegangen sind oder folgen würden. Das ist aber nicht der Fall."
Zu Kardinal Woelki wollte sich Steinhäuser in der Feier nicht äußern: "Ich will ihn weder beschuldigen noch versuchen, ihn zu entschuldigen." Der Erzbischof befindet sich in einer Auszeit, um die vergangenen Monate aufzuarbeiten, und will am Aschermittwoch wieder seinen Dienst aufnehmen. Papst Franziskus kam nach einer von ihm beauftragten Untersuchung zum Schluss, der Kardinal habe "große Fehler" in der Kommunikation gemacht, aber keine Verbrechen vertuschen wollen. Bis zu dessen Rückkehr leitet Steinhäuser das Erzbistum.