DOMRADIO.DE: Sie leben in Dänemark, sind aber gerade zu Besuch in Deutschland, haben also den direkten Vergleich, wo merken Sie den Unterschied besonders?
Sr. Anna Mirijam Kaschner (Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz): Ganz besonders fällt mir immer auf, dass ich vergesse, meine Maske aufzusetzen, wenn ich an die Tankstelle komme, in ein Geschäft gehe oder jetzt auch hier in unserer Gemeinschaft, in der ich zurzeit zu Besuch bin. Das ist der große Punkt, wo es mir schwerfällt, mich ganz schnell umzustellen.
DOMRADIO.DE: Haben Sie sich schon daran gewöhnt, dass die Maskenpflicht in Dänemark gefallen ist?
Kaschner: Als wir einkaufen gegangen sind, ist es erstmal eine große Befreiung gewesen. Ich merke jetzt aber auch, dass mir mulmig wird, sobald es etwas voller im Geschäft wird. Nun habe ich selber gerade die Corona-Erkrankung hinter mir, von daher bin ich jetzt nicht mehr ganz so gefährdet. Da merke ich jetzt schon eine innere Lockerheit und ich denke, es ist vielleicht nicht ganz so schlimm, wenn mir einer auf die Pelle rückt.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja Stimmen, die sagen, Dänemark habe vor dem Virus kapituliert. Sehen Sie das auch so?
Kaschner: Nein, das glaube ich nicht. Den Vorteil, den wir in Dänemark haben, ist, dass es ein sehr kleines Land ist. Das kann man mit Deutschland gar nicht vergleichen. Es ist ein Land, das in der Digitalisierung sehr weit fortgeschritten ist. Die Datenlage, die wir in Dänemark haben, einmal was die Anzahl der Infektionen angeht, was die Zahl der Hospitalisierungen anbetrifft, aber auch genau die Sequenzierung der verschiedenen Corona-Mutationen, ist einfach hervorragend.
Wir können uns auf jegliche Daten stützen und die dänische Regierung hat jetzt gesagt, wir sehen anhand der Zahlen der Krankenhaus-Einweisungen, der schweren Fälle, die trotz hoher Inzidenzen zurückgehen, dass es nicht mehr notwendig ist, Corona als eine die Gesellschaft gefährdende Krankheit einzustufen.
Damit geben sie die Verantwortung jetzt vom Staat wieder zurück in die Hände der Bürgerinnen und Bürger. Das ist etwas, was ich sehr schätze in diesem Land, dass die Bürger quasi in die Selbstverpflichtung genommen werden. Die Bürgerinnen und Bürger sagen selbst, dass das Vertrauen in die Regierung schafft.
Wir geben die Verantwortung in dem Moment ab, wenn die Situation nicht mehr einschätzbar ist, wenn es so schlimm wird, dass es Restriktionen braucht. Aber wir wissen, wir kriegen auch diese Verantwortung wieder zurück, wenn sich die Lage bessert.
DOMRADIO.DE: Wenn wir auf die Kirche schauen: Wer bei uns in Deutschland in die Heilige Messe geht, der hat teilweise das Gefühl, als stünden wir noch am Anfang der Pandemie. Wie sieht es in der Hinsicht in Dänemark aus?
Kaschner: Auch in der Kirche in Dänemark sind quasi alle Corona-Maßnahmen gefallen, es gibt noch einige Vorsichtsmaßnahmen, die Kommunion wird auch weiterhin mit desinfizierten Händen ausgeteilt und diesen Geschmack nach Desinfektionsmittel kennen wir auch sehr gut.
Aber es gibt beispielsweise das Weihwasser wieder am Anfang. Beim Friedensgruß, glaube ich, wird man sich noch weiter auf Zunicken und Winken beschränken, Händeschütteln gibt es da auch noch nicht.
Aber ansonsten läuft der Gottesdienst wieder ganz normal, wie wir ihn vor der Pandemie hatten. Da wurde es sogar im Bistum Kopenhagen schon wieder möglich, in kleinen Gruppen, beispielsweise bei Ordensgemeinschaften, die in der gleichen Zusammensetzung zusammenkommen, auch wieder die Kommunion unter beiderlei Ausgestaltungen zu feiern.
Das Interview führte Julia Reck.