Laut der aktuellen Untersuchung der Indonesischen Stiftung für Rechtshilfe (YLBHI) wurden mehr als die Hälfte der im ersten Halbjahr 2020 gemeldeten 38 Blasphemiefällen erst nach dem Bekanntwerden des ersten Corona-Falls (2. März) bei der Polizei und den Religionsbehörden angezeigt.
"Wir werden sensibler für Dinge, die als Gotteslästerung gelten"
Die Vorwürfe reichen demnach von der Abbildung eines Hundes im Logo auf der Verpackung von Essensspenden für Betroffene des Virus über die Auflösung einer muslimischen Andacht als Schutzmaßnahme bis hin zu angeblicher Massenkonversion muslimischer Kinder zu einer anderen Religion.
"Es hat sich herausgestellt, dass das Coronavirus unsere Gesellschaft nicht abhält, andere der Blasphemie zu beschuldigen", sagte die YLBHI-Vorsitzende Asfinawati dem Nachrichtenportal "Jakarta Post" (Mittwoch); "vielmehr werden wir sensibler für Dinge, die als Gotteslästerung gelten."
Kritik an unscharfen Gesetzen gegen Gotteslästerung
Die Organisation verurteilt die unscharfe Definition der Gesetze gegen Gotteslästerung. Dadurch würde dem Missbrauch der Blasphemiegesetze zur Austragung von Konflikten Vorschub geleistet, die nichts mit Religion zu tun hätten. Zudem würden Grundrechte wie Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit beeinträchtigt.
Mit rund 227 Millionen sunnitischen Muslimen ist Indonesien das bevölkerungsreichste islamische Land der Welt. Seit 1965 ist Gotteslästerung strafbar. Lange wurde die Blasphemiegesetzgebung kaum angewandt.
Blasphemiegesetz wird als politische Waffe eingesetzt
Das änderte sich in den vergangenen Jahren, als zunehmend einflussreicher werdende ultrakonservative islamische Gruppierungen das Gesetz als politische Waffe einsetzten. Prominentester Fall war der frühere christliche Gouverneur von Jakarta, Basuki Tjahaja "Ahok" Purnama. Salafistische Gruppen brachten ihn mit Hilfe des heutigen indonesischen Vizepräsidenten Ma'ruf Amin mit dem Blasphemiegesetz zu Fall.