Greifswalder Pfarrer blickt auf das Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern

Unmut im Merkelland

Pfarrer Hoffmann aus Greifswald warnt vor einer Spaltung von Mecklenburg-Vorpommern. Besonders die Menschen im Osten des Bundeslandes fühlten sich abgehängt, sagt er. Das zeigten die drei Direktmandate für die AfD.

Jubelnde AfD-Anhänger / © Daniel Bockwoldt (dpa)
Jubelnde AfD-Anhänger / © Daniel Bockwoldt ( dpa )

domradio.de: Die CDU in Mecklenburg-Vorpommern ist der Landesverband von Angela Merkel. Die Partei muss jetzt hinter der AfD zurückstecken. Verstehen Sie den Wahlausgang als Kritik an der Kanzlerin?

Pfarrer Patrick Hoffmann aus Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern: Ich denke, dass die AfD hier im Bundesland so stark geworden ist, hängt an diesem eigentlich bundespolitischen Thema. Die landespolitischen Themen sind hier nicht wirklich zum Tragen gekommen. Die CDU hat in der Koalition - so scheint mir aus der Wahrnehmung - eine ordentliche politische Arbeit gemacht. Eigentlich kann man sie für die Arbeit im Land gar nicht abstrafen.

domradio.de: Wer dachte, die AfD ließe sich wegdiskutieren, irrt spätestens jetzt. Die AfD ist am Sonntagabend eine starke Oppositionspartei geworden. Beunruhigt Sie das?

Pfarrer Hoffmann: Die AfD hat hier im Land alle drei Direktmandate in Vorpommern, dem östlichen Landesteil von Mecklenburg-Vorpommern, gewonnen. Da ist eher die Frage der Spaltung hier im Land, dass die Leute Richtung Ostsee und polnische Grenze sich eher abgehängt fühlen als in Mecklenburg, wo kein Direktmandat gewonnen wurde. Da liegt eher die Frage, was spricht für die Landesregierung, für die Landespolitik da heraus. Es ist ja hier von den Perspektiven für die Leute nicht schlechter als in Mecklenburg.

domradio.de: Sie arbeiten auch als Hochschulseelsorger. Menschen kommen mit ihren Sorgen zu Ihnen. Haben Sie da mitbekommen, was die Menschen dazu veranlasst, eine Partei zu wählen, von der viele sagen, sie ist rechtspopulistisch?

Pfarrer Hoffmann: Das bemerkenswerte ist ja, dass hier in Greifswald der SPD-Direktkandidat das Mandat gewonnen hat und SPD und Grüne bei der Wahl stark gewesen sind. Hier in Greifswald merkt man schon, dass es eine Stadt ist, die ganz anders geprägt ist als das Umfeld. Hier in Greifswald hätte die AfD also keine Chance gehabt.

domradio.de: Gucken wir mal auf eine andere ehemals starke Oppositionspartei. Die Linke kommt nur auf gut 12 Prozent. Ist die Linke zu normal geworden, zu wenig Protestpartei?

Pfarrer Hoffmann: Ich glaube, dass die Linken hier im Land in den letzten Jahren eine gute politische inhaltliche Arbeit gemacht haben. Vielleicht ist das so, dass das Protestpotential durch dieses bundespolitische Thema "Flüchtlinge" aufgeheizt, sich fokussiert hat. Nach dem Motto: Wenn ich schon jemanden mal so richtig die Kante zeigen will - vielleicht der Bundeskanzlerin - dann kann ich es am besten mit der AfD tun. Das hat vielleicht dem Protestpotenzial der Linken geschadet. Also die Linke zeigt sich im Land mit einer starken inhaltlich politischen Arbeit in der Opposition, das muss die AfD ja erst noch beweisen, dass sie das kann.

domradio.de: Trotz Stimmverlust wird es wohl wieder zu einer großen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern kommen - was kann die Landesregierung tun, um nicht weiter abzurutschen?

Pfarrer Hoffmann: Ich denke, dass sie eigentlich - so unspektakulär das auch klingt - weitermachen muss wie bisher, weil die Arbeitslosenzahlen hier im Land zurückgehen. Die Bevölkerungszahlen nehmen zu, um nur einmal zwei Punkte zu nennen. Sie haben hier im Land wirklich gute Arbeit gemacht, wenn man da auf die Inhalte guckt, kann man sich schwer beschweren, aber da ist Gutes passiert und das müssen sie weitermachen, denke ich. Das Problem ist, dass dieses bundespolitische Thema, die Angst vor Flüchtlingen durch die AfD so stark "hierreingeschwappt" ist. Wobei hier in Mecklenburg-Vorpommern Flüchtlinge zwar ankommen, eine kurze Zeit bleiben, aber bei der ersten Gelegenheit reisen sie weiter in größere Städte und Zentren, wo schon Leute von ihnen sind. Es wäre gar keine Notwendigkeit, Angst zu haben vor Flüchtlingen - wenn man das überhaupt haben kann - hier schon gar nicht.  

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR