Große Betroffenheit nach Einsturz der Kirche in Kassel

Hilfsangebote von benachbarten Gemeinden

Nach dem Einsturz der Elisabethkirche in Kassel, in der auch immer wieder kulturelle Veranstaltungen stattfanden, war der Fuldaer Bischof Michael Gerber am Dienstag dort. Begleitet wurde er unter anderem von Markus Leitschuh.

Blick der Drohne auf das zerstörte Dach der Sankt Elisabeth-Kirche in Kassel / © Feuerwehr Kassel
Blick der Drohne auf das zerstörte Dach der Sankt Elisabeth-Kirche in Kassel / © Feuerwehr Kassel

DOMRADIO.DE: Wie waren die Reaktionen des Bischofs und der Anwesenden auf dieses Unglück, das sich vielleicht jetzt erst in ganzem Ausmaß zeigt?

Markus Leitschuh (Theologe, Publizist und Mitglied der Kirchengemeinde): Auf der einen Seite große Betroffenheit. Man muss dazu sagen, die Kirche ist abgesperrt. Man darf auch nicht in das Innere rein. Aber von außen erahnt man schon, wie katastrophal das innen aussieht. Aber es war auch immer die große Erleichterung zu spüren, dass keine Menschen wirklich körperlich zu Schaden gekommen sind.

DOMRADIO.DE: Ist die Verkehrssituation in Kassel durch diesen Einsturz beeinträchtigt?

Leitschuh: Das ist zum Glück mittlerweile in ganz gute Bahnen gelenkt worden. Das heißt, Sie können sich vorstellen, dass um die Kirche ein Zaun steht, damit keine Menschen näher herankommen. Oder falls noch Steine herunterfallen, damit da nichts passieren kann. Die Pfarrei ist dabei, die Sicherheit des Gebäudes wiederherzustellen. Also es gibt Statiker, die die Arbeit aufgenommen haben und überlegen, wie man ein Dach einziehen kann. Dazu gehört auch die Frage: Wie kann man mit einem Gerüst das Ganze sichern, damit jetzt auch die Dinge im Innern abgeräumt werden können.

Blick in den Innenraum der Sankt Elisabeth-Kirche in Kassel  / © Feuerwehr Kassel
Blick in den Innenraum der Sankt Elisabeth-Kirche in Kassel / © Feuerwehr Kassel

DOMRADIO.DE: Die Statiker gucken auch nach den Gründen für diesen Einsturz. Ist da schon irgendwas bekannt?

Leitschuh: Es wurde nur mitgeteilt, dass immer wieder bei Veranstaltungen, auch bei Begleit-Veranstaltungen zur "documenta", wenn dort etwas in der Kirche gemacht wurde, immer auch überprüft wurde, wie es mit der Statik eigentlich bestellt ist. Aber es ist jetzt auch viel zu früh zu spekulieren, weil die Statiker und die Fachleute jetzt erst in die gesicherte Kirche gehen können und überhaupt ihre Arbeit aufnehmen.

DOMRADIO.DE: Man weiß nichts zu der Frage, ob man das irgendwie hätte verhindern können?

Leitschuh: Da haben der Bischof und auch die Bauabteilung, der Generalvikar, der Seelsorgeamtsleiter, die heute alle in Kassel waren, deutlich gemacht, bitte jetzt den Fachleuten den Vortritt zu lassen und ihre Arbeit machen zu lassen. Spekulationen helfen da nicht weiter. Aber es wurde immer auch betont, dass ja diese Kirche auch benutzt wurde. Und es gab in den letzten Monaten oder Jahren keine Schäden, die man irgendwie hätte wahrnehmen können.

DOMRADIO.DE: Die Elisabeth-Kirche in Kassel wird auch als Kulturkirche und als Veranstaltungsort beworben. Ist aber ja eben auch eine Kirche, in der ganz "normal" Gottesdienste gefeiert werden. Hat man sich schon darüber Gedanken gemacht, was die Gemeindemitglieder jetzt machen sollen, wo die hingehen?

Leitschuh: Gestern Abend fing es an, dass die Verantwortlichen Telefonanrufe, WhatsApp-Nachrichten und Ähnliches bekommen haben, wo Mitgliedskirchen aus der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, also nicht nur die unmittelbaren beiden großen evangelischen Nachbar-Kirchen, Platz angeboten haben.

Es hieß, wir helfen euch, sowohl was die muttersprachlichen Gemeinden, die in der Kirche dort regelmäßig sind, angeht, wir helfen euch für die eritreische Gemeinde, die dort angesiedelt und natürlich auch für die ganz normalen kleinen Wochenend-Gottesdienste. Aber es gibt noch keine Entscheidungen, wie man das jetzt konkret macht. Dafür ist der Schock auch noch zu groß.

Aber nächste Woche, in unmittelbarer Nähe am Elisabeth-Tag, wird es einen großen Gottesdienst in Kassel geben. Der war eh geplant – mit dem Bischof. Und der soll stattfinden und er soll auch bewusst draußen vor der Kirche beginnen.

DOMRADIO.DE: Die Kirche muss nicht ganz abgerissen werden?

Markus Leitschuh

"Sie können sich das vorstellen wie ein Schuhkarton, wo man den Deckel abgenommen hat."

Leitschuh: Man muss erst mal ein Sicherheitsdach einfügen. Sie können sich das vorstellen wie ein Baugerüst, auf das ein provisorisches Dach kommt, damit dort Wasser und Schnee nicht reinkommen können und damit die Aufräumarbeiten im Inneren dann auch sicher stattfinden können.

Der Bischof hat klargemacht, man muss jetzt erst mal abwarten, was ein Wiederaufbau dieser Kirche bedeuten würde. Also kann man die Fundamente weiter benutzen? Sind die Seiten überhaupt noch belastbar? Sie können sich das vorstellen wie ein Schuhkarton, wo man den Deckel abgenommen hat. Und jetzt steht noch der ganze Rest des Schuhkartons. Da muss man jetzt sehen, was ein Wiederaufbau bedeuten würde. Aber er hat klargemacht, dass die besondere Stellung dieser Kirche in Kassel natürlich auch motiviert, dass da wieder diese Kirche sein wird.

DOMRADIO.DE: Hat die Kulturkirche für die gesamte Stadt Kassel eine große Bedeutung? Man könnte jetzt vielleicht auch Menschen motivieren, sich am Wiederaufbau finanziell zu beteiligen?

Leitschuh: Genau. Es gibt einen Kirchbauverein, der sollte irgendwann mal auch aufgelöst werden, weil die Kirche nun gebaut und auch saniert worden ist. Und dieser Kirchbauverein wird sich jetzt zur Aufgabe setzen, die Ausgestaltung dieses Gotteshauses in Zukunft zu ermöglichen. Da werden sicherlich auch Spenden dann von Nöten sein. Bischof Gerber hat klargemacht, sein erster Besuch in Kassel war in der Elisabeth Kirche in der Corona-Zeit, als dort Kulturschaffende Herberge bekommen hatten, die nirgendwo mehr auftreten konnten. Und da hat man die Türen geöffnet, und das möchte man auch weiterhin machen, auch wenn man jetzt vielleicht andere offene Türen braucht, um selbst erst mal Herberge zu finden.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.