DOMRADIO.DE: Bevor wir über Ihre persönliche Motivation zu kandidieren reden: Was macht der Wahlausschuss eines Fußballvereins?
Pfarrer Markus Pottbäcker (Stadtdechant in Gelsenkirchen): Der ist zuständig für die Besetzung wichtiger Ämter, wie zum Beispiel des Aufsichtsrates. Das ist ein Schlüsselgremium, gerade auch jetzt in der Zeit und natürlich auch in der Zukunft.
DOMRADIO.DE: Sie leiten in Gelsenkirchen zwei Großpfarreien mit rund 60.000 Gläubigen. Wieso wollen Sie jetzt auch bei Schalke 04 noch mit anpacken?
Pottbäcker: Es ist nicht mangelnde Arbeit und Langeweile. Ich bin gefragt worden, schon im vergangenen Jahr - dann ist natürlich das Ganze nicht wirklich vorangekommen durch die Corona-Pandemie - und dann noch einmal in diesem Jahr in der Nachfrage, ob ich weiter zur Verfügung stünde.
Es ist halt die Stadt Gelsenkirchen, die mir Freude macht und die Menschen hier. Der Verein ist untrennbar damit verbunden, sodass ich das wirklich als eine Ehre, aber auch als eine Herausforderung im allerbesten Sinne empfunden habe.
DOMRADIO.DE: Sie haben gesagt - mit einem kleinen Augenzwinkern - als katholischer Priester sind Sie ja Mitglied eines sehr krisengeschüttelten Vereins, nämlich der Kirche, da passt dann Schalke gut rein. Trifft es das irgendwie tatsächlich?
Pottbäcker: Ja, total. Es gibt nur einen großen Unterschied: Die Menschen lieben Schalke 04 hier immer noch. Bei der katholischen Kirche ist die Liebe im Moment etwas abgekühlter. Aber es ist tatsächlich so, dass wir eine große Krise erleben und trotzdem von dem, was wir als Kirche sagen, wovon wir leben, total überzeugt sind im Innersten, auch wenn vieles, vieles, vieles völlig nicht in Ordnung ist und dringend einer Ordnung bedarf.
Das ist bei Schalke, glaube ich, ähnlich. Wir lieben diesen Verein, wir lieben alles, was dahinter steht und was diesen Verein ausmacht und was ihn vor allen Dingen für die Stadt und die Menschen hier in Gelsenkirchen ausmacht. Und deshalb ist einfach auch dieser Vergleich in dieser Weise gewählt worden.
DOMRADIO.DE: Sie sind seit 2015 Schalke-Mitglied, kommen gebürtig aus Duisburg. Damit sind Sie natürlich Kummer gewohnt, auch beim MSV läuft es ja nicht so rund. Wie kann denn Schalke wieder auf die Beine kommen? Was ist wichtig, auch bei der Besetzung der verschiedenen Posten, wo sie dann ja auch ein Wörtchen mitreden können?
Pottbäcker: Also wenn ich das ganz genau wüsste, dann wäre ich, glaube ich, schon längst in einer anderen Welt und einer anderen Kategorie. Das ist ganz schwierig zu sagen. Wir sind in einer so schweren Krise, die sich aber schon ganz offensichtlich über einen langen Zeitraum aufgebaut hat, dass es jetzt ganz entscheidend sein wird, in Ruhe neue Wege aufzubauen. Man wird jetzt nicht in einem Jahr eine Lösung stehen haben und in diesem Kontext eben Menschen zu suchen, die für diesen Verein brennen, aber auch für die Stadt. Es geht natürlich um Fußball, aber es geht um etwas mehr.
Ich habe das mal an anderen Stellen gesagt. Wenn Sie manche Fußballvereine von mancher Stadt abziehen, dann bleibt immer noch eine Stadt über, die auf ein großes Selbstbewusstsein schauen kann. Nehmen Sie selbst Bayern München von München weg, dann bleibt eine Stadt, die immer noch sagen: "Mia san mia".
Nehmen Sie mal Schalke von Gelsenkirchen jetzt weg, dann bleibt da eine Stadt mit vielen verunsicherten Menschen, die es total nötig hätten und dies auch verdient hätten, dass sie Selbstbewusstsein entwickeln und sagen: Wir sind hier ein wunderbares Stück Ruhrgebiet.
Das muss auch vermittelt werden. Und das muss auch noch mal durchkommen, dass dieser Verein für die Stadt und für die Menschen in der Stadt eine große Bedeutung hat. Solche Typen, die das verstanden haben, die brauchen wir neben aller Kompetenz, die in den Aufsichtsräten natürlich immer gefordert ist - wirtschaftlicher Art, juristischer Art, et cetera.
DOMRADIO.DE: Hier in Köln war das Aufatmen ja groß, dass der FC in der ersten Liga geblieben ist. Sie haben es eben schon angedeutet. Wie groß ist die Rolle, die Schalke 04 für die Region spielt, für Gelsenkirchen und das gesamte Umfeld?
Pottbäcker: Also jetzt mache ich mich im Ruhrgebiet komplett unbeliebt, wahrscheinlich – jedenfalls außerhalb von Gelsenkirchen. Ich komme aus Duisburg und mein Vater war wirklich ein riesengroßer MSV-Fan. Mich hat der MSV tatsächlich leider nie so angesprochen. Ich hege eine gewisse Liebe natürlich aufgrund der Heimat dazu.
Aber die Identität von Ruhrgebiet und Schalke ist für mich klarer und eindeutiger und größer. Und deshalb hat dieser FC Schalke 04 eine riesengroße Bedeutung. Menschen identifizieren sich damit. Das sind die alten Kicker. Wenn sie sich die Traditionsmeile von Schalke angucken, ist das eigentlich städtebaulich peinlich, aber es ist die Traditionsmeile. Es ist der Ort, wo diese Menschen angefangen haben, wo Ernst Kuzorra seinen Tabakladen hatte. Das ist eine andere Form von Identität.
Das sind nicht die Eingekauften wie heute – mit einer Identität, die ja zunächst erst entwickelt werden muss. Die ist bei denen in Fleisch und Blut gewesen und bei ganz vielen. Natürlich geht das nicht wieder so. Natürlich kann man das Rad nicht zurückdrehen und sagen, alle müssen mal irgendwann wieder hier im Bergbau gewesen sein. Das ist natürlich Quatsch. Aber trotzdem muss eine Identität zum Ruhrgebiet und zu den Menschen hier da sein.
DOMRADIO.DE: Sie kandidieren am Sonntag für den Wahlausschuss. Falls das irgendwie nicht klappen sollte: Wie wollen und können Sie trotzdem dem Verein helfen?
Pottbäcker: Als Mitglied, als Fan, als jemand, der natürlich hier in der Stadt auch für die katholische Kirche eine Verantwortung hat, stelle ich mich da immer wieder gerne zur Verfügung, wenn Möglichkeiten da sind. Und am Ende kann man auch mal ein kleines Gebet sprechen, dass der Verein Schalke 04 wieder auf einen guten Weg kommt. Wenn das auch nicht so ganz schnell gehen mag - wenn ich realistisch und nüchtern bin, muss ich das zugestehen.
Der liebe Gott ist die Mensch gewordene Liebe und dann sollte er auch die Liebe der Schalker und uns Gelsenkirchener ab und an mal hören. Da bin ich auch sicher.
Das Interview führte Carsten Döpp.