Gründe für gemeinsamen Religionsunterricht im Erzbistum Köln

Ergebnis aktueller Entwicklungen?

Im Jahr 2017 hatten die NRW-Bistümer mit der evangelischen Kirche beschlossen, gemeinsamen Religionsunterricht anzubieten. Das Erzbistum Köln hatte sich damals dagegen entschieden, will sich nun aber beteiligen. Wieso dieser Schritt?

Ein Junge an einer Tafel / © popcorner (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Woher kommt jetzt der Wandel im Erzbistum Köln?

Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke (Leiterin der Hauptabteilung Schule/Hochschule im Erzbischöflichen Generalvikariat Köln): 2018/19 haben die anderen NRW-Bistümer begonnen, gemeinsam mit der evangelischen Kirche Religionsunterricht anzubieten.

Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke

"Wir haben damals gut begründet und auch nach intensiven Beratungen gesagt, dass aus unserer Sicht die Trias, also die Form des Religionsunterrichts mit katholischen Kindern, katholischen Lehrern und katholischen Inhalten, immer noch hinreichend ist."

Wir haben damals gut begründet und auch nach intensiven Beratungen gesagt, dass aus unserer Sicht die Trias, also die Form des Religionsunterrichts mit katholischen Kindern, katholischen Lehrern und katholischen Inhalten, immer noch hinreichend ist. Mit Blick auf die Konfessionsstruktur bei uns im Erzbistum sind wir diese Kooperation nicht eingegangen.

Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke / © privat (privat)
Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke / © privat ( privat )

Auch stand die Frage im Raum, ob der konfessionell-kooperative Religionsunterricht – abgekürzt KokoRu – tatsächlich die Graubereiche, also sprich Unterricht im Klassenverband, beheben kann. Das waren unsere offenen Fragen. Wir haben die Bistümer und Erzbistümer und die evangelischen Landeskirchen in den vier Jahren konstruktiv begleitet.

Wir waren Berater in allen Situationen, haben natürlich nicht mit entschieden, weil wir uns enthalten haben. Wir haben aber inhaltlich das Ganze mit begleitet und haben von Anfang an gesagt, dass wir es begleiten und kritisch schauen, wie sich bei uns im Erzbistum die Situation verändert.

Wir haben vor allem etwas gemacht, wo die anderen nun auch hinkommen, nämlich zu schauen, was die Lehrerinnen und Lehrer eigentlich benötigen, um gestärkt zu sein. Das ist unabhängig von der Form des Religionsunterrichts wichtig. Deswegen haben wir damals gesagt, dass für uns der richtige Zeitpunkt noch nicht da ist. Wir begleiten das, wir beobachten es.

Jetzt liegen die Erfahrungen der anderen vor, die Zahlen, Entwicklungen und vor allem auch der klare Ansatz, dass unsere ökumenischen Projekte im Sinne von Teamteaching – auch jetzt gibt es ja schon ökumenische Projekte – durch KokoRu ergänzt werden sollen.

DOMRADIO.DE: Wird dieser Religionsunterricht dann von einer katholischen oder evangelischen Lehrkraft unterrichtet?

Schwarz-Boenneke: Der Reiz der konfessionellen Kooperation ist, dass es eine Kooperation zwischen zwei Fächern ist. Das heißt, es ist ein verbindlicher Lehrerwechsel vereinbart. Die Klasse wird sowohl zu einem bestimmten Zeitraum von einem katholischen Lehrer oder Lehrerin unterrichtet, als auch von dem oder der evangelischen Lehrkraft.

DOMRADIO.DE: Das wechselt dann jeden Monat? Oder wie kann man sich vorstellen?

Schwarz-Boenneke: Nein, das wäre zu aufwendig. Das legt die Schule auf Basis eines schulinternen Curriculums fest, das mit dem Antrag eingereicht werden muss. Es ist ja nicht so, dass jede Schule diese Unterrichtsform einfach umsetzt, sondern es läuft nach einem Antragsverfahren.

Da wird dann auch deutlich, um welche Inhalte es geht. Zum Beispiel braucht der Erstkommunionunterricht einen katholischen und der Konfirmandenunterricht einen evangelischen Lehrer, weil es da um die eigene Glaubensüberzeugung, um das eigene Glaubensleben geht.

DOMRADIO.DE: KokoRu ist also kein Ökumene-Unterricht.

Schwarz-Boenneke: Umgangssprachlich sagt man es so schnell. Wir haben es ja auch in den Zeitungen immer wieder gelesen. Ökumenischer Religionsunterricht ist es nicht. Es sind zwei Fächer, der evangelische und der katholische Religionsunterricht, die hier kooperieren.

Es ist kein neues Fach. Das ist auch mit dem Land und mit den anderen evangelischen und katholischen Partnern schon immer so vereinbart. Das ist unser Konstrukt hier in Nordrhein-Westfalen. Es geht darum, die Gemeinsamkeiten in den Blick zu nehmen, aber auch jeweils das Eigene bestehen zu lassen.

Denn der Religionsunterricht ist für uns im Verfassungsrecht als der Unterricht festgelegt, in dem eine Person aus ihrer Überzeugung heraus etwas zur Religion sagt und nicht nur über Religion redet.

DOMRADIO.DE: Es gibt Modelle, die noch weiter gehen. In Hamburg zum Beispiel gibt es eine erweiterte Kooperation mit muslimischen Lehrkräften. Da werden jüdische Kinder mit unterrichtet, alevitische Kinder. Ist das der nächste Schritt hier?

Schwarz-Boenneke: Ob das der nächste Schritt bei uns ist, hängt nicht nur von den Entwicklungen des Religionsunterrichts ab, sondern ist auch unvergleichbar. Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat auch in den Interviews gesagt, dass wir nicht einfach eine Form für alles gelten lassen können.

Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke

"Ich plädiere dafür, dass wir nicht einfach eine Form als ultimativ nehmen, sondern dass wir uns immer wieder fragen, welche Voraussetzungen wir haben und was wir benötigen."

In Hamburg hatten im Unterschied zu Nordrhein-Westfalen katholische Lehrerinnen und Lehrer oder die Kirche überhaupt nicht die Chance, einen Religionsunterricht umzusetzen. Das lief immer gesondert. Dass man da einen anderen Lösungsansatz braucht als hier in Nordrhein-Westfalen, ist klar.

Ich plädiere dafür, dass wir nicht einfach eine Form als ultimativ nehmen, sondern dass wir uns immer wieder fragen, welche Voraussetzungen wir haben und was wir benötigen. Das ist das gemeinsame Ziel von allen, egal ob evangelisch oder katholisch oder auch von anderen Religionsgemeinschaften, dass der Religionsunterricht oder Religion als Thema in der Schule bleibt, dass religiöse Bildung Teil unseres Schulkanons, unseres Bildungskanons bleibt.

Ich plädiere stark dafür und werbe ich auch dafür, das nicht an Formen festzumachen, sondern die regionale Besonderheit zu sehen.

Hintergrund: Religionsunterricht in Deutschland

Der Religionsunterricht in Deutschland ist als einziges Unterrichtsfach im Grundgesetz abgesichert. Als ordentliches Lehrfach ist er in den meisten Bundesländern den übrigen Schulfächern gleichgestellt. Schüler können sich aber aus Gewissensgründen abmelden.

Schüler im Religionsunterricht / © Peter Steffen (KNA)
Schüler im Religionsunterricht / © Peter Steffen ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie haben nicht ausgeschlossen, dass das Hamburger Modell auch für Köln kommen könnte.

Schwarz-Boenneke: Also, erst einmal wird es nicht nur für Köln kommen, sondern für ganz Nordrhein-Westfalen. Und zweitens sage ich noch einmal, dass die Voraussetzungen völlig unterschiedlich sind.

Der Religionsunterricht braucht eine Stärkung von Religionslehrerinnen und Religionslehrern. Auch jetzt haben wir schon eine Heterogenität in der Schulklasse. Wir haben nicht gleichkirchliche oder gleichreligiös sozialisierte Kinder in der scheinbar homogenen katholischen Gruppe.

DOMRADIO.DE: Wenn ihnen Eltern sagen, dass ein gemeinsamer Religionsunterricht der Untergang des Abendlandes ist, was entgegnen Sie?

Schwarz-Boenneke: Es wird diese Eltern geben, die von großen Sorgen getrieben sind. Es wird auch Lehrer geben, die von großen Sorgen getrieben sind. Es gibt aber auch die anderen, die darin den endlich erreichten Schritt sehen.

Dr. Bernadette Schwarz-Boenneke

"Was heute von Eltern, von Kirche in unserer gesellschaftlichen Struktur nicht mehr da ist, nämlich diese selbstverständliche Beheimatung, kann der Religionsunterricht nicht leisten."

Der Religionsunterricht bietet die Chance, aus einer ersten Person Singular heraus – also ich als Katholikin, ich als Protestant – zu reden und die Kinder zu befähigen, selbst eine Position einzunehmen. Was heute von Eltern, von Kirche in unserer gesellschaftlichen Struktur nicht mehr da ist, nämlich diese selbstverständliche Beheimatung, kann der Religionsunterricht nicht leisten.

Deshalb würde ich diesen Eltern sagen, dass ich ihre Sorge ernst nehme. Aber der Appell, das nur am Religionsunterricht festzumachen, greift zu kurz. Dann lassen Sie uns anders schauen, wie Kinder und Jugendliche heute den Glauben angeboten bekommen können.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR
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