Gruppen in Kirchentagsumfeld propagierten Pädosexualität

Ralf Meisters Selbstkritik an "evangelischer Freiheit"

Im Umgang mit sexualisierter Gewalt hat die evangelische Kirche nach Aussage von Hannovers Landesbischof Ralf Meister eigene spezifische Schwachpunkte aufzuarbeiten. Die "groß herausgekehrte" Freiheit habe auch Übergriffe begünstigt.

Ralf Meister, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, auf der 12. Generalsynode der VELKD am 9. November 2018 in Würzburg.
Ralf Meister, Landesbischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, auf der 12. Generalsynode der VELKD am 9. November 2018 in Würzburg.

Anders als in der katholischen Kirche mit Zölibat und zentralisierter Macht sei die evangelische stolz auf ihre Freiheit, so Meister am Samstag in Osnabrück beim regionalen Ökumenischen Kirchentag.

Freiheit zu tun, was nicht erlaubt ist

"Vor rund 40 Jahren bestand bei uns Freiheit auch darin zu tun, was nicht erlaubt war." Diese "groß herausgekehrte" Freiheit habe eine Übergriffskultur begünstigt, die derzeit aufgearbeitet werden müsse, so der Landesbischof bei einem Forum über Missbrauch und Kirchen.

Leider sei das Thema auch beim jüngsten Kirchentag im Nürnberg kaum vorgekommen, auch wenn fast alle Landeskirchen inzwischen Etliches auf den Weg gebracht hätten.

Gruppen verkündeten Pädosexualität als Befreiung

Der Kirchentag selber habe etwa aufzuarbeiten, dass in seinem Umfeld früher Gruppen zu Wort kommen konnten, die Pädosexualität als Befreiung propagiert hätten.

Plakat des 18. Evangelischen Kirchentages, der vom 13. bis 17.06.1979 in Nürnberg, Bayern, stattfand / © epd-bild/Deutscher Evangelischer Kirchentag (epd)
Plakat des 18. Evangelischen Kirchentages, der vom 13. bis 17.06.1979 in Nürnberg, Bayern, stattfand / © epd-bild/Deutscher Evangelischer Kirchentag ( epd )

"Ich selber habe das beim Kirchentag 1979 erlebt; und als 16-Jähriger fand ich das damals schon schräg", so Meister.

Staatsrechtler plädiert für Reformen im Kirchenrecht

Der Kölner Staatsrechtler Stephan Rixen forderte die Kirchen auf, endlich informelle und strukturelle Macht als Kernfrage zu thematisieren.

Missbrauchsstudie im Erzbistum Freiburg

Die Untersuchung zu sexualisierter Gewalt und Verschleierung von Missbrauchstaten im Erzbistum Freiburg sieht bei den früheren Erzbischöfen Robert Zollitsch und Oskar Saier schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester. Der Schutz der Institution Kirche und der Täter habe über allem gestanden, sagte Studienautor Eugen Endress bei der Vorstellung des 600-Seiten-Berichts. Für Betroffene und Angehörige habe es keine Hilfen gegeben: "Sie wurden allein gelassen."

Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser (KNA)
Vorstellung der GE-Kommission zu sexuellem Missbrauch in Freiburg / © Andree Kaiser ( KNA )

"Die dunklen, überhöht sakralisierten Seiten des Priesterbildes" müssten korrigiert werden. "Sonst nützt alle Prävention nichts", so Rixen bei der vom Betroffenenrat Nord organisierten Veranstaltung.

Gleichzeitig forderte Rixen eine andere Auslegung des Staatskirchenrechts.

Konservative Auslegung ohne Nutzen für Betroffene

Dessen traditionell konservative Auslegung beim Äußerungsrecht und Datenschutz nutze immer noch mehr der Kirche als Institution als Betroffenen.

Zuvor hatte Karl Haucke, Betroffener sexuellen Missbrauchs und ehemaliges Mitglied des Betroffenenrats im Erzbistum Köln, vor gut 70 Zuhörern noch einmal seine Leidensgeschichte als elfjähriger Schüler in einem katholischen Internat geschildert.

Trotz vieler Studien und langjähriger Diskussionen habe sich bisher viel zu wenig getan.

Der sakralen Überhöhung von Geistlichen ein Ende setzen

Als Forderungen, vor allem an die katholische Kirche, nannte Haucke unter anderem: "Hören Sie auf mit Ihrer Überheblichkeit".

Die sakrale Überhöhung von Geistlichen müsse beendet werden.

Über Wesen und Funktion des Priesterbilds sowie nötige Reformen daran könnten nicht allein Theologen befinden. Des weiteren verbat Haucke sich weiteres "Schamgetöse nach jedem Gutachten".

Betroffenenrat ruft zur Öffnung von Sprachräume für Betroffene auf

Ebenso forderte er mehr Sensibilisierung in Gemeinden und Gesellschaft.

Nicole Sacha vom Betroffenenrat Nord forderte Kirchenleitungen auf, den heutigen Gemeinden und ihre Verantwortlichen müsse gesagt werden: "Ihr hattet einen Täter!"

Für Betroffene und ihre Angehörigen sei wichtig, solche Sprachräume zu öffnen.

Deutscher Evangelischer Kirchentag

Der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) ist eine Großveranstaltung protestantischer Laien. Sie laden alle zwei Jahre in eine andere Stadt ein. Dort stehen Gottesdienste, Bibelarbeiten, Diskussionen, Konzerte und Feste auf dem Programm.

Der erste DEKT fand 1949 in Hannover statt. Seit 1959 wechseln sich die Treffen in der Regel im Zweijahresrhythmus mit den Katholikentagen ab. Rechtsträger ist der "Verein zur Förderung des Deutschen Evangelischen Kirchentages" mit Sitz in Fulda.

Evangelischer Kirchentag in Dortmund / © Benito Barajas (epd)
Evangelischer Kirchentag in Dortmund / © Benito Barajas ( epd )
Quelle:
KNA