Gürzenich-Kapellmeister zur Kooperation mit der Kölner Dommusik

"Besondere Herausforderung und Motivation"

Drei Kooperationen mit der Kölner Dommusik sieht Gürzenich-Kapellmeister Francois-Xavier Roth für sein Orchester in der neuen Spielzeit vor: Besonderes, Exotisches und auch Klassiker.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Dommusik und Gürzenich-Orchester / © Tomasetti (DR)
Dommusik und Gürzenich-Orchester / © Tomasetti ( DR )

Mit allen vorhandenen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen, eine komplette musikalische Kosmologie: von der unbeseelten Materie über Pflanzen, Tiere, Menschen und Engel bis hinauf zur göttlichen Liebe. Das wollte Gustav Mahler, als er 1902 – am Pult des Gürzenich-Orchesters – seine Sinfonie Nr. 3 mit triumphalem Erfolg uraufführte. Heute nun schloss sich wieder ein Kreis. Denn dem Kölner Generalmusikdirektor und Gürzenich-Kapellmeister Francois-Xavier Roth diente dieses verbriefte Ansinnen des Spätromantikers bei der Vorstellung der Konzertsaison 2018/19 in der Kölner Philharmonie als Aufhänger, um grundsätzliches Lob an seine "Mannschaft" für die intensive Arbeit im vergangenen Jahr vorauszuschicken und angesichts ambitionierter Programmvorhaben völlig "andere Dimensionen und Perspektiven" mit seinem Klangkörper anzukündigen. Eine "Ikone der Gürzenich-Historie" nennt er Mahlers Dritte, die nämlich zu den ersten Abonnement-Konzerten im Herbst zählen wird und an der zudem wieder die Mädchen und Knaben der Kölner Domchöre beteiligt sind.

Auch die vierte Saison von Roth in Köln ist geprägt von einer gewohnt kreativen Auseinandersetzung mit der Geschichte seines Kölner Orchesters. Wie erfahren wir ein großes Sinfonieorchester? Wie lässt sich seine Persönlichkeit noch besser herausstellen?

Antwort: Wenn wir seine Geschichte zeigen und für das Heute und Morgen eine Utopie kreieren, in der die Welt abgebildet sein soll, reflektierte der Musiker vor Journalisten seine eigenen Gedankenspiele. "Selbst wenn wir an diesem Anspruch scheitern sollten, haben wir in der Zwischenzeit wenigstens gute Musik gemacht", formulierte Roth amüsiert und gab Einblick in eine höchst komplexe Künstlerseele, die immer wieder auf der Suche nach neuen Herausforderungen ist, nicht stehen bleiben will, sondern die realistische Möglichkeit musikalischer Experimente, Inspirationen und Querverbindungen eher als Lebenselixier begreift.

Im Zentrum: Robert Schumann

Da fallen altbekannte Namen wie Robert Schumann, dessen Musik diesmal im Zentrum der Begegnung mit dem Kölner Publikum stehen soll, aber eben auch viele neue, die an der von Roth vorgegebenen Marschroute Richtung zeitgenössischer Musik mitschreiben sollen. "Weltzeugende sinfonische Entwürfe" nennt der künstlerische Programmplaner des Orchesters, Patrick Hahn, den intensivierten Dialog mit den Komponisten von heute. So eröffnet den Uraufführungsreigen auch ein Orchesterzyklus von Stefano Gervasoni auf der Grundlage von Schumann-Liedern. Hèctor Parra gestaltet eine Reise durch den Kosmos als raumgreifende Hómmage an den jüngst verstorbenen Physiker Stephen Hawking. Jean-Frédéric Neuburger schreibt ein Capriccio aus dem Geiste Schumanns. Und schließlich steht mit Philippe Manourys "Lab.Oratorium" der große Abschluss seiner Köln-Trilogie bevor. Überhaupt werden die Gürzenicher erstmals gemeinsam mit einem Regisseur dieses sinfonische Konzert Manourys erarbeiten, was dann auch in der Elbphilharmonie und der Philharmonie de Paris debütieren soll. Bislang sei das Publikum dem Orchester bei derart "verwegenen Ideen", beispielsweise Raummusiken mit einer besonderen Zwischenform von Theater und Konzert aufzuführen, noch immer vertrauensvoll gefolgt. Das sei schon einzigartig und motiviere das Orchester ungemein, betonte Roth. Er mutmaßt, dass das vor allem auf die hohe Reputation des Orchesters zurückzuführen sei. "Wir können hier Programme bauen wie sonst in keinem anderen Konzertsaal."

Bei aller Besonderheit und Exotik der (noch entstehenden) Stücke und deren Schöpfer – auf "Haute Couture" will die Interims-Geschäftsführerin des Orchesters dennoch nicht setzen, sondern auf Musik für jedermann. Dass sie dabei die Unterstützung der Kölner hat, belegte Isabell Nehmeyer-Srocke mit überzeugenden Zahlen: Alle im Vorfeld gesteckten Ziele wurden noch übertroffen. Demnach besuchten in der vergangenen Spielsaison 120.000 Zuhörer die Gürzenich-Konzerte, die damit bei einer aktuellen Auslastung von 95 Prozent liegen. Und auch das Kinder- und Jugendprogramm "Ohren auf!", das in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag feiert, konnte mehr als 14.000 Interessierte erreichen.

Auch Klassiker fehlen nicht

Natürlich fehlen auch die richtigen Klassiker in dieser kurzweiligen Erfolgsgeschichte nicht: Bachs Johannes-Passion beispielsweise, bei deren angekündigter Neuauflage mit dem Vokalensemble Kölner Dom Roth ebenfalls ins Schwärmen geriet. Nach dem Erfolg im letzten Jahr zu Karfreitag habe er sofort beschlossen, ein solches Konzert zu wiederholen. "Das könnte ich in jedem Jahr machen." Schon jetzt spüre er eine große Vorfreude, sagte er und orakelte, dass auch zu diesem Projekt noch ein dramaturgischer Aspekt entwickelt werde.

"Ich freue mich, dass die nun seit vielen Jahren bestehende Zusammenarbeit mit dem Gürzenich-Orchester, die in der Vergangenheit zu vielen gemeinsamen Erfolgen geführt hat, in der kommenden Spielzeit gleich mit drei Konzerten fortgesetzt wird", kommentierte der Leiter der Kölner Dommusik, Domkapellmeister Eberhard Metternich die Pläne Roths. "Sich auf professionellem Parkett zu bewegen und mit einem charismatischen Dirigenten zu arbeiten, bedeutet für die unterschiedlichen Chorgruppen, vor allem für die Kinder, eine besondere Herausforderung und Motivation."

Erster Termin im September

Die erste der insgesamt drei Gelegenheiten dazu werden der Kölner Domchor und das Vokalensemble Kölner Dom am 20. September haben. Dann nämlich werden beide Chöre gemeinsam mit dem Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Metternich das traditionelle "Große Domkonzert" singen und zur Erinnerung an den Ersten Weltkrieg sowie in Zeiten von anhaltend gestörtem Weltfrieden die "Missa in tempore belli" von Joseph Haydn, "Friede auf Erden" von Arnold Schönberg, "Da pacem Domine" von Arvo Pärt, "Cantate de la Paix" von Darius Milhaud und das "Dona nobis pacem" aus der h-Moll-Messe von Bach aufführen.


Quelle:
DR