In Halle schlägt eine Glocke für jedes neugeborene Kind

Jeden Tag das Leben feiern

Jeden Tag um 13 Uhr werden in Halle an der Saale die am Vortag neugeborenen Kinder begrüßt. Dann erklingen vom "Roten Turm" Händels "Halleluja" und ein Glockenschlag für jedes Kind. Über 16.000 Mal hat die "Baby Bell" schon geläutet.

Autor/in:
Oliver Gierens
Babyfüße in den Händen der Mutter / © Liudmila Fadzeyeva (shutterstock)
Babyfüße in den Händen der Mutter / © Liudmila Fadzeyeva ( shutterstock )

Jeden Mittag um 13 Uhr erklingt vom "Roten Turm", einem der Wahrzeichen auf dem Marktplatz von Halle (Saale), ein besonderes Glockenspiel. Es beginnt mit dem berühmten "Halleluja" von Georg Friedrich Händel (1685-1759), dem berühmtesten Sohn der Stadt. Dann folgen so viele Glockenschläge, wie am Vortag Kinder in der Stadt geboren wurden.

Roter Turm in Halle (Saale) / © Sina Ettmer Photography (shutterstock)
Roter Turm in Halle (Saale) / © Sina Ettmer Photography ( shutterstock )

Die "Baby Bell"

Die sogenannte "Baby Bell" (dt.: Babyglocke) begrüßt seit fünf Jahren die Neugeborenen in der Saalestadt. Die Idee kam von Sven Seeger, dem Chefarzt der Geburtshilfe am katholischen Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara, das die größte Geburtenstation in Sachsen-Anhalt beheimatet. Wie er auf die Idee gekommen sei, könne er gar nicht mehr so genau sagen, erzählt Seeger im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Ich liebe und schätze meine Stadt außerordentlich, in ihrer Vielfältigkeit, aber auch ihre Architektur."

Familienfreundliche Stadt

Hinzu kommt für den Chefarzt der Geburtsklinik die Freude über die Geburt eines Kindes. Er habe einen Weg gesucht, wie man beides miteinander verbinden könne – und stieß beim mittlerweile suspendierten Hallenser Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) sogleich auf Zustimmung. "In der Begrüßung per Glockenspiel sieht die Stadt eine sympathische Geste und ein Zeichen für Familienfreundlichkeit", bestätigt ein Stadtsprecher auf Anfrage.

Dabei erinnert das "Halleluja" nicht nur an den gebürtigen Hallenser Händel. Der Komponist hat mit diesem Werk auch die Freude über die Geburt eines Kindes verkündet – und zwar eines ganz besonderen Säuglings: die Geburt Jesu Christi.

Ein Turm voller Glocken 

Zugleich befindet sich im "Roten Turm" seit 1999 das größte Carillon Europas, das aus 76 Glocken besteht. Es soll sogar das zweitgrößte der Welt sein. "Da hat eins und eins zusammengepasst", sagt Sven Seeger. "Warum wollen wir diese Freude, dass der Stadt Kinder geboren worden sind, nicht von diesem Glockenspiel verkünden lassen?", habe er damals den Stadtrat und den Oberbürgermeister gefragt.

Und der Chefarzt lieferte auch gleich die technische Lösung mit, um die Idee praktisch umzusetzen. Ein befreundeter Inhaber einer Medienagentur hat eine App programmiert, die alle Geburten eines Tages in der Stadt erfasst. Angeschlossen sind nach Angaben der Stadt die beiden Geburtskliniken im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara sowie im Universitätsklinikum und die beiden Geburtshäuser "Bauchgefühl" und "Lebenslicht". Die Angaben in der App steuern demnach automatisch die Anzahl der Schläge des Glockenspiels entsprechend der Geburtenzahl.

Festes Ritual

So ist der Ablauf jeden Tag um 13 Uhr fest ritualisiert: Zunächst schlägt der "Rote Turm" die Stunde nach der Melodie des Londoner "Big Ben" – auch das ist eine Erinnerung an Händel und seine Londoner Zeit. Dann erklingt das "Halleluja", im Anschluss schlägt die "Baby Bell" die Anzahl der geborenen Kinder.

Und dieser Glockenschlag ist seit der Eröffnung im Juli 2018 bereits über 16.000 Mal erklungen – so viele Geburten gab es seitdem in der Stadt, davon fast 9.700 in Seegers Geburtsklinik. Und für sie bietet das katholische Krankenhaus noch ein besonderes Ritual an: Eine Kindersegnung, die sich gerade auch an Personen wendet, die nicht konfessionell gebunden sind.

Glück teilen und verkünden 

"Die Idee war, dass man mit der Geburt eines Kindes einen Moment der Besinnung hat", erläutert der Chefarzt. Es gehe um ein Überlegen, was die Zukunft bringe. "In einem solchen Moment haben Menschen einen spirituellen Zugang", ist er überzeugt. Und noch ein weiterer Brauch wird in dem kirchlichen Krankenhaus gepflegt: Für jedes Kind steigt ein "Himmelswunsch" auf, ein ökologisch abbaubarer Luftballon mit einer kleinen Postkarte, auf der Eltern und Familie ihre Wünsche für das Kind notieren können.

"Ich bin überwiegend in einem Bereich tätig, wo ich dem Glück beiwohnen darf", sagt Seeger. "Das führt dazu, dass man nach Symbolen sucht, dieses Glück auch zu verkünden und zu teilen."

Quelle:
epd