Eine "vollständige Entkriminalisierung" sei allerdings nicht vertretbar, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme. Unterdessen bleiben katholische Verbände bei ihrer Position, dass die derzeitige Regelung bestehen bleiben solle. Die Abtreibungsfrage wird im Strafrecht in Paragraf 218 behandelt.
Gremium soll Regelung prüfen
Im Auftrag der Bundesregierung nahm Ende März eine Kommission von 18 Fachleuten aus Medizin, Recht und Ethik die Arbeit auf. Das Gremium soll eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts prüfen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte mehrfach erklärt, sie sei der Meinung, dass Abtreibungen außerhalb des Strafrechts geregelt werden sollten. Die Kommission hatte Kirchen und Verbände aufgefordert, Stellungnahmen abzugeben. Die Kommission selbst soll ihre Ergebnisse im Frühjahr vorlegen.
Laut Paragraf 218 ist ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt jedoch straflos, wenn er in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die schwangere Frau sich zuvor beraten lassen; zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.
Verantwortung des Staates
Der EKD-Rat spricht sich dafür aus, dass es weiter eine verpflichtende Beratung vor einer möglichen Abtreibung geben soll. Geltende Regelungen übertragen die Verantwortung für den Schutz des ungeborenen Lebens vor allem an die Frau, wie der EKD-Rat ausführte.
Er unterstreicht dagegen eine "Verantwortung, die Staat und Gesellschaft in diesem Zusammenhang" übernehmen müssten. So sehr der Schutzstatus des werdenden Lebens bereits ab dem Zeitpunkt der Empfängnis beginne, erscheine es fragwürdig, "ihm zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft mit Mitteln des Strafrechts Geltung zu verschaffen".
Lebensrecht verpflichtet
Das Lebensrecht des Ungeborenen und die Schutzpflicht ihm gegenüber nähmen während der Schwangerschaft kontinuierlich zu, so das Papier. Die Frage sei, ob und wie sich dies in Fristen niederschlagen könne, die mit unterschiedlichen Anforderungen und Sanktionen verbunden seien.
Anders lautet dagegen die Position katholischer Verbände in einer ebenfalls am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme. Die bisherige Regelung sichere auch derzeit wirksam die Selbstbestimmung der Frau, heißt es dort. Beides - Selbstbestimmung der Frau sowie der Schutz des ungeborenen Lebens - gelinge ohne die Gefahr, dass der Wunsch der Frau kriminalisiert werde. Dies zeige auch die geringe Zahl von Verurteilungen nach Paragraf 218, die jährlich unter zehn liege.
Balanceakt für Schutz und Selbstbestimmung
Eine grundsätzliche Legalisierung des Abbruchs innerhalb einer bestimmten Frist würde die Balance zwischen Selbstbestimmungsrecht der Frau und Lebensrecht des Ungeborenen zu Gunsten der Selbstbestimmung auflösen, hieß es. Aktuelle Probleme wie fehlende Ärzte, die eine Abtreibung durchführen könnten, stünden in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der derzeitigen Rechtslage, heißt es im Papier weiter, das der Sozialdienst katholischer Frauen und die Caritas gemeinsam vorlegten.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hatte zuletzt im März betont, es sei nicht einsichtig, dass eine Streichung aus dem Strafgesetzbuch das verfassungsrechtlich garantierte Lebensrecht des ungeborenen Kindes in gleicher Weise oder besser schützen solle als die gegenwärtige Regelung.