Ihren letzten Kampf konnte Hebe de Bonafini nicht mehr gewinnen: Im Hospital Italiano in La Plata erlag die Gründerin der "Mütter der Plaza de Mayo" im Alter von 93 Jahren einer Krankheit. "Mit großem Schmerz teilen wir Ihnen mit, dass Hebe de Bonafini heute um 9.20 Uhr verstorben ist", hieß es in einer Erklärung, die die Familie am Sonntag (Ortszeit) verbreitete. Präsident Alberto Fernandez ordnete daraufhin eine dreitägige Staatstrauer an: Argentinien habe eine "unermüdliche Kämpferin für Menschenrechte" verloren, die sich für die Wahrheit und Gerechtigkeit eingesetzt habe. Vizepräsidentin Cristina Kirchner, die selbst das Land von 2007 bis 2015 als Nachfolgerin ihres Mannes Nestor als Präsidentin regierte, veröffentlichte in Sozialen Medien Bilder von gemeinsamen Treffen.
Widerstand gegen Militärdiktatur
Hebe de Bonafini steht wie wohl kaum eine andere Persönlichkeit in Argentinien für den zivilen Widerstand gegen die brutale rechte Militärdiktatur (1976-1983) in dem südamerikanischen Land, der Zehntausende zum Opfer fielen.
Besonders grausam war die Praxis, Regimegegner tot oder lebendig aus Flugzeugen über dem Rio de la Plata abzuwerfen. Nach Angaben der Familie Bonafini schlossen sich die Söhne in den 70er Jahren der linken Studentenbewegung an und gerieten nach dem Armeeputsch 1976 als Regierungskritiker ins Raster der Generäle. Den Erkenntnissen zufolge wurde der älteste Sohn auf einer Polizeiwache gefoltert und ermordet. Den jüngeren Sohn ließen die Wächter im berüchtigten Geheimgefängnis "La Cacha" verhungern und verdursten. Die Schwiegertochter wurde erschossen.
International anerkannte Menschenrechtlerin
Gemeinsam mit anderen Mitstreiterinnen begann Hebe de Bonafini während der Militärdiktatur immer donnerstags auf dem Platz der Mairevolution zu demonstrieren, um auf das Schicksal der vielen tausend Vermissten hinzuweisen. Das machte sie zu einer nationalen und international anerkannten Menschenrechtlerin, die sich später stark für die Politik von Cristina und Nestor Kirchner einsetzte. Ihr Markenzeichen war das Kopftuch, heute in Buenos Aires allgegenwärtiges Erkennungssymbol der Organisation. Wo Hebe de Bonafini in den letzten Jahren auch erschien, zuletzt meist im Rollstuhl, erhoben sich die Menschen von ihren Plätzen oder spendeten lauten Beifall.
Hebe de Bonafini hatte direkten Zugang zu den Spitzen der peronistischen Politik, traf sich mit sozialistischen Größen Lateinamerikas wie Kubas Revolutionsführer Fidel Castro oder Venezuelas Präsident Hugo Chavez, was ihr Kritik der dort unterdrückten Opposition einbrachte. Sie verstand sich gut mit der argentinischen Fußball-Legende Diego Maradona: "Zwei rebellische Leben", kommentierte die linksgerichtete Tageszeitung "Pagina 12". Aufgrund ihrer Nähe zur Regierung sowie die finanzielle Unterstützung durch die Peronisten kamen allerdings auch immer wieder einmal Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Korruption auf.
Gespaltenes Verhältnis zum Papst
Zu Papst Franziskus hatte sie anfangs ein gespaltenes Verhältnis. Ähnlich wie die damalige Staatspräsidentin Kirchner stand auch Bonafini dem ehemaligen Erzbischof von Buenos Aires nach dessen Wahl zum Kirchenoberhaupt 2013 zunächst kritisch gegenüber; Jorge Mario Bergoglio habe während der argentinischen Militärdiktatur eine zu große Nähe zu den damaligen Machthabern gehabt - so schrieb es zumindest die Tageszeitung "Pagina 12" über den Papst, die als Sprachrohr der Kirchners gilt.
Als Reaktion darauf gingen immer mehr Diktatur-Opfer aus der dunklen argentinischen Epoche an die Öffentlichkeit und erzählten ihre Version der Geschichte. Sie lobten den Papst für dessen stille Unterstützung und wertvolle Hilfe während der damaligen Zeit. Vor allem der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel rückte öffentlich das Bild der Bergoglio-Kritiker zurecht. Das zeigte Wirkung: Auch Hebe de Bonafini ruderte zurück. "Ich kannte Ihre pastorale Arbeit nicht", schrieb Bonafini in einem Offenen Brief an Papst Franziskus.
Würdigung durch Papst
Erst im Mai würdigte Papst Franziskus den Einsatz der "Mütter der Plaza de Mayo" für die Menschenrechte. In einem Schreiben an Hebe de Bonafini aus Anlass des 45. Jahrestages des ersten Protestmarsches bezeichnete Franziskus ihre Organisation als die "Mütter der Erinnerung".