Nach außen geben sie sich als friedliche Demonstranten. Mütter mit Kindern, Schilder, auf denen gegen Waffenhandel und die israelische Besetzung Palästinas protestiert wird, dazu Fahnen Palästinas, des Libanon und des Iran. Rund 900 Menschen sind am Samstag beim so genannten Al-Quds-Marsch über den Berliner Kurfürstendamm gezogen. "Wir wollen ein Zeichen setzen gegen den Zionismus, nicht gegen das Judentum", sagte ein Teilnehmer, der sich selbst Mohammed Ali nannte, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Doch der Al-Quds-Tag ist eine Erfindung des iranischen Revolutionsführers Khomeini aus dem Jahr 1979. Schon mit dem Namen Al-Quds, dem arabischen Namen für Jerusalem, bringen die Teilnehmer ihr eigentliches Anliegen zum Ausdruck: den Kampf gegen Israel und letztlich die Zerstörung des jüdischen Staates. Und noch wenige Minuten vor Beginn der Demonstration versuchten die Organisatoren der Veranstaltung vergeblich, eine Auflage der Berliner Versammlungsbehörde aufheben zu lassen: Fahnen der radikalislamischen Hisbollah, die in Teilen Europas als Terrororganisation verboten ist, durften bei der Berliner Demonstration nicht gezeigt werden.
Zwei Gegendemos mit rund tausend Teilnehmern
Während die Teilnehmerzahl des Al-Quds-Marsches in diesem Jahr deutlich niedriger war als in den Vorjahren, verzeichneten zwei Gegendemonstrationen Zustrom. Zwischen 300 und 400 Menschen nahmen an einer Kundgebung des "Antifaschistischen Berliner Bündnisses gegen den Al-Quds-Marsch" teil. Von ihren Lautsprecherwagen erklang das israelische Volkslied "Hevenu Schalom Alechem" ("Wir wollen Frieden für alle"), während sich die Gegner Israels auf dem Adenauerplatz sammelten.
Einige Kilometer weiter, am George-Grosz-Platz, kamen zeitgleich rund 750 Menschen mit Israelfahnen und Partymusik zusammen. Sie versammelten sich zu einer Kundgebung, zu der ein breites gesellschaftliches Bündnis aus jüdischer Gemeinde Berlins, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Parteien und Bürgerinitiativen aufgerufen hatte. Die beiden großen Kirchen ermunterten in den Sozialen Medien ebenfalls zur Teilnahme, waren aber nach eigenen Angaben nicht offiziell beteiligt.
Innensenator für vollständiges Verbot der Hisbollah
Während der Kundgebung sprach sich Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD), der den Al-Quds-Marsch wenige Tage zuvor "eine der widerlichsten Kundgebungen, die es in Berlin gibt" nannte, für eine Einstufung aller Teile der Hisbollah als Terrororganisation aus. Im Gegensatz zu Ländern wie Großbritannien und den Niederlanden, wo der verlängerte Arm Irans komplett verboten ist, gilt in Deutschland nur der militärische, nicht aber der politische Flügel der Organisation als Terrororganisation. "Deutschland würde ein eindeutiges Zeichen setzen, dass Judenhass und Antisemitismus in unserem Land nicht geduldet werden", sagte Geisel, der während der Kundgebung eine Kippa trug. "Wir stehen fest an der Seite der Jüdinnen und Juden, die hier leben und an der Seite Israels."
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) hatte zuvor zum Widerstand gegen jede Form des Antisemitismus aufgerufen. "Wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, verhöhnt die Opfer des Holocaust und ihre Angehörigen", sagte Pau. Persönlich kritisiere sie die Politik der USA, Israels "und als Oppositionspolitikerin auch der Bundesregierung. Aber niemand würde deswegen auf die Idee kommen, das Existenzrecht der USA oder Deutschlands in Frage zu stellen", sagte Pau. "Bei Israel geschieht das, und das ist Antisemitismus."
Klein: Kampf gegen Antisemitismus eine Bürgerpflicht
Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, nannte den Kampf gegen Antisemitismus eine "Bürgerpflicht". Seinem Aufruf, sich durch das Tragen einer Kippa solidarisch mit Israel zu zeigen, war jedoch nur ein Teil der Teilnehmer der Gegendemonstration gefolgt, an der auch der frühere grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck, Berlins CDU-Landeschef Kai Wegner und die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer teilnahmen.
Der Israelische Botschafter Jeremy Issacharoff warf dem iranischen Regime vor, alle Chancen zum Frieden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn unterminieren zu wollen. "Das Recht auf Redefreiheit umfasst nicht antisemitische Rede oder Forderungen nach der Zerstörung Israels."