Zwei Kirchen in Südafrika werden Refugium für Vertriebene

Heimatlose hoffen auf Neuanfang

​In Südafrika haben Flutopfer in zwei Kirchen einen Zufluchtsort gefunden. Wo normalerweise Gospelchöre singen und Predigten gehört werden, machen Schüler nun ihre Hausaufgaben.

Autor/in:
Markus Schönherr
Diskussion um Flutopfer in südafrikanischen Kirchen (shutterstock)
Diskussion um Flutopfer in südafrikanischen Kirchen / ( shutterstock )

Der Geruch menschlicher Ausdünstungen und benutzter Babywindeln hängt schwer zwischen den Kirchenbänken. Hunderte Menschen drängen sich in dem Gotteshaus. Statt der Predigt hallen Kindergeschrei und Hustenanfälle durch die Mauern. Hier wird eine menschliche Tragödie sichtbar, ein Versagen von Politik - und eine neue Definition von Kirchenasyl. In Südafrika spielt sich all das gleich in zwei verschiedenen Gotteshäusern ab.

Mamelodi: Über dem Zaun einer Baptistenkirche hängen gewaschene Schuluniformen zum Trocknen. Eine Uniform pro Schüler - mehr hat die Flut, die vor zwei Monaten durch das Township nahe der Hauptstadt Pretoria tobte, nicht übrig gelassen. 1.000 Bewohner machte die Naturkatastrophe damals obdachlos; rund die Hälfte von ihnen floh in die Kirche. Von ihnen sind heute noch etwa 180 übrig, wie die Wochenzeitung "Mail & Guardian" berichtet.

 

 

Schlafmangel und fehlende Privatsphäre

Am härtesten trifft es demnach die Schüler von Mamelodi. Sie sollen in einer andauernden Geräuschkulisse und ohne Privatsphäre für Tests lernen. Eine Schülerin erzählt, wie sie im Unterricht regelmäßig einschlafe. Zum Waschen seien die Lernenden auf Eimer in den Kirchentoiletten angewiesen.

"Sie behandeln uns unmenschlich, weil wir arm sind. Sie blicken auf uns herab", sagt eine Schülerin über die Lokalpolitiker. Sie hatten den Vertriebenen versprochen, noch vor Weihnachten einen neuen Flecken Erde für sie zu finden, wo sie ihre Hütten neu aufbauen könnten. Die neue Frist, die die Provinzregierung für das Umsiedlungsprojekt angesetzt hatte, verstrich vor dem Wochenende.

Pastor kritisiert Behörden

"Als Kirchenvertreter ist es unsere gottgegebene Aufgabe, Menschen in Not zu helfen", sagte Pastor Thembelani Jentile der "Pretoria News" (Montag). Die mangelnde Kommunikation der Behörden bereite ihm allerdings Kopfzerbrechen. "Wir müssen wissen, wo wir stehen, um planen zu können." Nachdem die Politiker ihre "Versprechen gebrochen" hätten, wollen die Kirchenbewohner nun eine Sitzblockade vor den Regierungsbüros in Pretoria veranstalten.

Auch in Kapstadt hat eine unfreiwillige Kirchengemeinde zusammengefunden: rund 800 Migranten aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Seit vier Monaten campieren sie in und um die Methodistenkirche in Kapstadts historischem Zentrum. Davor hatten sie wochenlang die Büros der UN-Flüchtlingskommission UNHCR belagert, aus Furcht vor ausländerfeindlichen Übergriffen. Bei Ausschreitungen in Johannesburg und Pretoria hatte es 2019 mehrere Tote gegeben.

Humanitäre Lage "unerträglich"

Zuletzt spitzte sich die Lage auch im Kirchenasyl zu. Duschen und Toiletten fehlen. Die meisten Geflüchteten leben von Almosen aus der Nachbarschaft. Ein Vertreter beschrieb die humanitäre Lage in der Kirche als "unerträglich". Darüber hinaus kam es zu Gewalt, nachdem zwei rivalisierende Anführer die Migranten in zwei Lager spalteten. Beide mussten sich für Ausschreitungen und andere Delikte vor Gericht verantworten.

Jean-Pierre Balous, einer der beiden Anführer, sorgte nun erneut für Schlagzeilen: Er drohte Berichten zufolge, einen Vertreter der Südafrikanischen Menschenrechtskommission (SAHRC zu töten), den presbyterianischen Pastor Chris Nissen. Die Kommission zog sich als Vermittlerin bei der Kirchenbesetzung zurück. "Es war von Beginn an ein Machtspiel, in dem auch Geld eine Rolle spielte", so Nissen.

Gerichtsentscheidung Mitte Februar

Wie es mit den Kirchenflüchtlingen weitergeht, soll Mitte Februar ein Richter entscheiden. Kapstadts Regierung will sie jedenfalls loswerden. Sie sieht in den Migranten, die im Freien kochen und ihre Notdurft verrichten, einen Störfaktor für Tourismus und Geschäftsleben.

Die Migranten fordern eine Umsiedlung in eine sichere Umgebung. Doch die Stadtregierung fühlt sich nicht zuständig. In Anspielung auf Vertreibungen während der Apartheid betonte der zuständige Richter Daniel Thulare jedoch: "Ich muss wissen, was mit ihnen passiert, wenn ich einer Räumung stattgebe. Ich darf heute nicht schlimmer urteilen als ein Richter im Jahr 1968."


Quelle:
KNA