Die Niederbronner Schwestern können sich eine Beteiligung an der Aufarbeitung systematischer Menschenrechtsverletzungen in Kinderheimen nach dem Zweiten Weltkrieg vorstellen. Eine kooperative Aufarbeitung sei im Interesse der Betroffenen "effektiver und vermutlich auch nachhaltiger", teilte die Provinzoberin Schwester Barbara am Dienstag der Katholischen-Nachrichten-Agentur (KNA) mit.
Heimkinder hatten kein Gehör gefunden
Die Geschäftsführerin des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP), Helga Dill, hatte am Montag in der "Süddeutschen Zeitung" erklärt, geschätzt jedes dritte Heimkind habe seit 1945 bis in die 1970er Jahre hinein sexualisierte Gewalt erlebt. Heimkinder hätten als erste Gruppe Betroffener mit einer Petition an den Bundestag 2006 auf sich aufmerksam gemacht, aber dennoch unter den Missbrauchsbetroffenen am wenigsten Gehör gefunden.
Mit Blick auf jüngste Veröffentlichungen, wonach es in Bayern ein Missbrauchs-Netzwerk gegeben haben könnte, plädierte Dill für einen Aufarbeitungsverbund. Die Institutionen sollten sich die Verantwortung dafür nicht gegenseitig zuschieben. Vor zwei Wochen hatte die "Süddeutsche Zeitung" über ein privates Rechercheteam unter Beteiligung ehemaliger Heimkinder berichtet. Es geht um den Verdacht, dass Heimkinder gezielt herumgereicht worden sein könnten, um sie zu missbrauchen.
Kloster Ettal auch im Fokus
Als Teile eines solchen Netzwerks wurden das frühere Hänsel-und-Gretel-Heim der Stadt München in Oberammergau, das Haus Maffei in Trägerschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Feldafing am Starnberger See, Kloster Ettal und das Salesianum in München benannt. Auch der Orden der Niederbronner Schwestern, die lange in dem Oberammergauer Heim tätig waren, ist im Visier.
Schwester Barbara erklärte, Dills Initiative "wäre durchaus ein Weg". Wörtlich sagte die Provinzoberin: "Ich glaube aber, dass unsere personellen Ressourcen für eine Lenkungsfunktion einer solchen Initiative nicht ausreichen. Wir sind gern von Anfang an dabei. Vermutlich ist nicht entscheidend, wer die Initiative ergreift, sondern dass sie gemeinsam getragen wird. Da sehen auch wir uns in der Verantwortung."