Heiße Sommertage fordert Altenheim heraus

Gemeinsamer Kraftakt

Rund eine Million Menschen leben in Deutschland in Alten- und Pflegeeinrichtungen. Heiße Sommertage sind gerade für sie ein großes Risiko. Ein Seniorenheim in Bonn zeigt beispielhaft, wie Heime gegen die Hitze ankämpfen.

Autor/in:
Angelika Prauß
Bewohner spielen gemeinsam mit einer Pflegerin im Sebastian-Dani-Alten- und Pflegeheim der Caritas in Bonn. / © Harald Oppitz (KNA)
Bewohner spielen gemeinsam mit einer Pflegerin im Sebastian-Dani-Alten- und Pflegeheim der Caritas in Bonn. / © Harald Oppitz ( KNA )

Im Sommer hat Judith Quiske einen besonders wachen Blick auf ihr Handy. "Ich bekomme Warnhinweise via Apps, die über Extremwetterlagen informieren", sagt die Leiterin des Bonner Sebastian-Dani-Heimes. Bei einem Hitzealarm gehe dann in dem Alten- und Pflegeheim eine Maschinerie an Maßnahmen los, erklärt die 53-Jährige.

Judith Quiske, Leiterin des Sebastian-Dani-Alten- und Pflegeheims der Caritas, am 18. Juli 2024 in Bonn. / © Harald Oppitz (KNA)
Judith Quiske, Leiterin des Sebastian-Dani-Alten- und Pflegeheims der Caritas, am 18. Juli 2024 in Bonn. / © Harald Oppitz ( KNA )

Das fange damit an, den 86 Bewohnern leichte Kleidung anzubieten oder bettlägerigen Menschen Kühltücher für Arme und Beine. Auf den Wohnbereichen werden Ventilatoren aufgestellt; Sportangebote entfallen, Aktivitäten wie Gedächtnistraining, Gesellschaftsspiele und Singen finden nur noch drinnen statt. "Wenn Bewohner dennoch in der Sonne verweilen möchten, achten wir auf eine Kopfbedeckung und Sonnencreme."

Die hauseigene Küche konzentriere sich nun auf leichte Kost - kalte Salate, viel Obst und Gemüse. "Schon am Vorabend wird Früchtetee gekocht und kaltgestellt, auch Salzstangen oder salziges Gebäck bieten wir dann an."

Klimatisierter Gemeinschaftsraum

Bei Bedarf würden Bewohner in einen klimatisierten Gemeinschaftsraum gebracht. Ein Hauptaugenmerk liege darauf, dass alle Bewohner ausreichend trinken - "wir achten das ganze Jahr darauf, aber im Sommer besonders", erklärt Quiske.

Nachts werde in den Wohnbereichen ab dem ersten Stock aufwärts quergelüftet und am Morgen das Haus schrittweise "abgedichtet": Die Fenster werden geschlossen, Vorhänge vorgezogen, Außenjalousien und -markisen ausgefahren. Alle Bereichsleitungen seien bei dieser Gemeinschaftsanstrengung gefordert. Bei einer Hitzewelle funktioniere das Kühlhalten des Gebäudes zumindest die ersten zwei, drei Tage ganz gut, sagt die Einrichtungsleiterin. Aber auch das nächtliche Querlüften komme bei 22 Grad Außentemperatur an eine Grenze, räumt sie ein.

Hitze gar nicht erst hineinlassen

"Wir müssen dafür sorgen, dass die Hitze erst gar nicht eindringen kann", erklärt Georg Vent. Er ist bei der Caritas Bonn für das Gebäudemanagement von über 30 Häusern im Stadtgebiet zuständig - und damit auch für den baulichen Hitzeschutz. Neubauten zählen ebenso dazu wie Gebäude aus der Zeit um 1880 - eine Herausforderung bei der Sanierung. Denn bei alter Bausubstanz sei auch der Denkmalschutz zu berücksichtigen; dort könne beispielsweise nicht einfach eine Wärmedämmung an der Fassade angebracht werden.

Das Sebastian-Dani-Heim ist eine von drei Senioreneinrichtungen der Caritas in Bonn und vergleichsweise jung. Vor rund 20 Jahren fertiggestellt, verfügt das Haus bereits über Wärmedämmung, doppelverglaste Fenster und weitgehend außenliegende Jalousien. "Wir können uns schon ganz gut schützen", sagt Quiske.

Erträgliche Innentemperatur

Neben baulichen Anpassungen fordert die Politik auch, einen nationalen Hitzeschutzplan zu entwickeln, der unter anderem alteMenschen als besonders gefährdete Gruppe in den Blick nimmt. Einrichtungsleiterin Quiske schult jedes Frühjahr ihre Mitarbeiter, um es für die Gefahren für betagte Menschen zu sensibilisieren. Ein Ziel ist es, die Temperatur in Innenräumen erträglich zu halten.

Karin Kossak-Knoppik kann es in ihrem Zimmer gut aushalten. "Morgens werden die Jalousien runtergelassen, damit die Sonne nicht reinkommt", sagt die bettlägerige Bewohnerin, die auch ihre dünne Bettdecke zu schätzen weiß. "Das Fenster muss ich aber immer aufhaben - im Sommer und im Winter; sonst habe ich das Gefühl, ich kriege keine Luft."

Beim Hitzeschutz achten Quiske und ihr Team deshalb auf die individuellen Bedürfnisse und Wärmeempfindungen der Bewohner - etwa wenn es um die Wohlfühltemperatur der Bewohner geht. "Ältere Menschen haben ein anderes Kälteempfinden", gibt sie zu bedenken. Auch im Winter seien etwa 23 Grad die Wohlfühltemperatur für alte Menschen. "Die Bewohner bewegen sich nicht so viel und mögen es muckelig warm." Manche hätten selbst dann noch ein Jäckchen an, wenn es draußen sehr warm sei.

Bewohnerwünsche contra Hitzeschutz

Niemand werde deshalb zu Hitzeschutzmaßnahmen gezwungen, betont Quiske. "Wenn jemand in seinem Zimmer unbedingt das Fenster auf Kipp und die Vorhänge offen haben möchte, dann respektieren wir das", erläutert sie. "Und wenn eine Bewohnerin bei sehr warmen Temperaturen in ihrem Zimmer ein offenes Fenster möchte, dann darf sie auch das, und wir tragen ihren Wunsch in die Pflegedokumentation ein." Vielleicht sei die Dame früher viel im Süden gewesen und möge die Wärme. Der Einrichtungsleiterin und ihrem Team ist die Selbstbestimmung der Bewohner wichtig.

Für Pflegehelferin Maria Krys ist eine Hitzephase kein Problem. "Ich mag's lieber warm als kalt", sagt die 55-Jährige. Dann komme sie mit kürzerer Hose und dünnem T-Shirt und sei durch die körperliche Anstrengung bei der Pflege auch mal ein bisschen verschwitzt - "aber ich mache das gerne".

Das Durstempfinden überlisten

Für die alten Menschen sei große Hitze schon eher ein Problem, "wir merken das sofort". Deshalb sei es umso wichtiger, die Senioren zum Trinken zu animieren - auch wenn sie sich nicht durstig fühlten. Immer wieder geht Krys von Bewohner zu Bewohner, schenkt Wasser oder Saft nach und reicht das Glas an.

Maria Krys, Pflegehilfskraft, schenkt einem Bewohner Wasser ein am 18. Juli 2024 im Sebastian-Dani-Alten- und Pflegeheim in Bonn / © Harald Oppitz (KNA)
Maria Krys, Pflegehilfskraft, schenkt einem Bewohner Wasser ein am 18. Juli 2024 im Sebastian-Dani-Alten- und Pflegeheim in Bonn / © Harald Oppitz ( KNA )

Viele vergessen schlicht zu trinken. "Der Bewohner muss das Glas Wasser immer sehen können", so ihre Erfahrung. Wo das nicht reicht, setze sie sich auch mal dazu und animiere persönlich: "'Noch ein Schluck, und noch ein Schluck...'". Bei schlecht trinkenden Bewohnern werde in allen drei Schichten dokumentiert, wie viel diese getrunken hätten.

Das Thema Trinken betrifft aber nicht nur die alten Menschen. Auch ihren Mitarbeitenden schärft Quiske ein, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Und manchmal machen sich die Bewohner einen Spaß daraus, das Pflegeteam aufzuziehen. "Sie animieren uns hier immer zu trinken, und wenn ich frage, 'Haben Sie auch genug getrunken?', bekomme ich ein 'Nein'", sagt Karin Kossak-Knoppik und schmunzelt.

Quelle:
KNA