Helfer erreichen nur wenige Hilfsbedürftige - ohne Saatgut droht Hungersnot

Kaum Visa für Birma

Helfer und Augenzeugen zeichnen ein immer düstereres Bild von der Lage in Birma. Eine Woche nach dem verheerenden Wirbelsturm "Nargis" sieht die Hilfsorganisation Oxfam durch Seuchen das Leben von mehr als 1,5 Millionen Menschen in Gefahr. Reinhard Würgner, Leiter des Asienreferates bei Caritas international, berichtet im domradio-Interview, dass viele Helfer in Bangkok "gestrandet seien" und dort auf Einreisegenehmigungen warteten.

 (DR)

Niemand kenne die Kriterien, nach denen die birmanischen Behörden ein Visum erteilten oder verweigerten. Einem Caritas-Mitarbeiter sei es gelungen, ins Land zu kommen, berichtet Würgner.

Die Versorgungslage sei katastrophal. Es gebe Schätzungen, so Würgner, nach denen erst 10 bis 20 Prozent der Hilfsbedürftigen überhaupt erreicht worden seien. "Es ist ein Wettlauf mit der Zeit". Man müsse mit einer Explosion von Krankheiten rechnen. In Birma gebe es viele freiwillige Helfer, die sich bemühten, allein herumirrende Kinder einzusammeln und Auffanglager zu errichten. Die Situation sei nach wie vor dramatisch.

Der Caritas-Experte kritisiert die Junta, die die Katastrophe offenbar nicht ernst genommen habe. Ein Vergleich mit der schnellen chinesischen Reaktion auf das Erdbeben zeige, welche Handlungsmöglichkeiten bestanden hätten.

Helfer mit einem Bein im Gefängnis
«Wenn Sie hier Hilfe leisten wollen, stehen Sie mit einem Bein im Gefängnis», sagte der Birma-Experte Diakonie Katastrophenhilfe, Peter Rottach, am Dienstag in Rangun.

Unter vielen einheimischen Hilfsorganisationen in Birma sei eine große Angst wahrzunehmen. Da Treibstoff rationiert und Vorratshaltung verboten sei, gerate man schnell in die Illegalität, wenn man Hilfsgüter mit Booten oder Lastwagen transportieren wolle. Aus Angst, Lastwagen könnten konfisziert werden, setzten einige Hilfsorganisationen daher Taxis oder Minibusse ein.

«Ich habe den Eindruck, dass man hier fast eine Nacht-und-Nebel-Aktion starten muss», sagte Rottach, der sich seit Freitag in Birma aufhält. Einige Partnerorganisationen der Diakonie Katastrophenhilfe könnten aber wohl bald mit Erlaubnis der Regierung mit der Nothilfe beginnen. Zu den am meisten verwüsteten Gebieten haben ausländische Helfer laut Rottach dennoch weiter keinen Zutritt.

Apokalyptisch
Der Birma-Experte konnte im Ostzipfel des Irrawaddy-Deltas Regionen mit Zerstörungen mittleren Ausmaßes besuchen: «Ich war in Dörfern, wo kein Haus mehr stand.» Aus den am schlimmsten betroffenen Gebieten kämen inzwischen haarsträubende Berichte und Bilder «von toten Kindern, die zuhauf im Schlick liegen oder an Bäumen hängen». Rottach vermutet, dass ganze Landstriche dort apokalyptisch aussehen: «Es ist die Rede von Hunderten von Dörfern, die völlig ausradiert worden sind.»

Die Sorge des Diakonie-Mitarbeiters gilt vor allem den Menschen in den unzugänglichen zerstörten Dörfern. Viele hätten sich zwar zu buddhistischen Klöstern, Kirchen, Sammelstellen oder Regierungscamps aufgemacht. «Doch niemand weiß, wie viele es wegen Verletzung, Schwäche oder Alter nicht dorthin geschafft haben», sagte Rottach. Er forderte direkten Zugang der ausländischen Helfer zu den Opfern des Wirbelsturms in die Katastrophengebiete. Die Hilfswerke sollten auch nicht verpflichtet sein, ihre Güter bei den Behörden abzugeben, sondern sie selbst verteilen können.

Rottach rief auch dazu auf, an das Bestellen der Felder denken, was wegen des Monsunregens in vier Wochen anstehe. Die Bauern im «Brotkorb» Irrawaddy-Delta müssten sofort ihr verlorenes Saatgut ersetzt bekommen, um einer Hungersnot vorzubeugen.

Druck aus China und Russland könnte helfen
Die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), hat Russland und China aufgefordert, im UN-Sicherheitsrat gemeinsam Druck auf Birmas Militärregierung auszuüben.

"Der Weltsicherheitsrat sollte die Junta auffordern, die Hilfsorganisationen endlich ins Land zu lassen. Dafür müssten sich auch Länder wie China und Russland bewegen und ein entsprechendes Vorgehen im Sicherheitsrat unterstützen", sagte Wieczorek-Zeul der "Passauer Neuen Presse". Die internationale Staatengemeinschaft habe die Verantwortung, Menschen in schweren Notsituationen auch dann zur Seite zu stehen, wenn ihre Regierung die Bevölkerung bewusst nicht schütze.

Die Ministerin forderte die Junta auf, die Hilfe in die Hände der UN zu legen. "Die Junta muss endlich einsehen, dass die einzige Form die Menschen zu schützen ist, wenn die UN die Hilfe professionell organisiert und koordiniert", sagte Wieczorek-Zeul. "Keine Regierung der Welt schon gar nicht eine, die nur aus Militärs besteht ist in der Lage, eine Hilfsaktion von dieser Dimension zu leisten."