Herrnhuter Pfarrer freut sich über Unesco-Weltkulturerbe

Architektur des Glaubens

Die Chinesische Mauer, der Taj Mahal, die Pyramiden von Gizeh: sie gehören zu den bekanntesten Unesco-Weltkulturerben. Die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeinde nun auch. Pfarrer Peter Vogt hat die Vergabe live verfolgt.

Autor/in:
Elena Hong
Die Kirche der Brüdergemeine Herrnhut / © Sebastian Kahnert (dpa)
Die Kirche der Brüdergemeine Herrnhut / © Sebastian Kahnert ( dpa )

DOMRADIO.DE: Herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung!

Peter Vogt ist seit über 10 Jahren Pfarrer in Herrnhut (UNESCO)
Peter Vogt ist seit über 10 Jahren Pfarrer in Herrnhut / ( UNESCO )

Pfarrer Peter Vogt (Pfarramt der Evangelischen Brüdergemeine Herrnhut): Vielen Dank! Wir haben gestern schon gefeiert und werden heute weiterfeiern. Wir können das noch gar nicht absehen, was das alles für uns bedeutet.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie es gefeiert? Denn die Entscheidung ist in der Hauptstadt von Indien, in Neu Delhi gefallen. Haben Sie es mitverfolgt?

Vogt: Wir haben uns um 8 Uhr in unserer Kirche getroffen. Wir hatten einen Fernseher aufgestellt und auch Flaggen aufgestellt. Mit einer Gruppe von Leuten aus der Stadt und aus der Kirchengemeinde haben wir das live mitverfolgt. Um 8:20 Uhr war es dann soweit. Der Hammer fiel und Herrnhut gehört mit zum Welterbe.

Peter Vogt

"Es war abzusehen, aber die Spannung war doch zu spüren."

DOMRADIO.DE: Hatten Sie vorher einen Tipp bekommen oder waren Sie komplett überrascht?

Vogt: Ja, es war abzusehen, aber die Spannung war doch zu spüren. Man weiß in der Diplomatie nie, ob eventuell noch etwas schief geht. Es war sehr schön. Wir hatten Sekt und haben damit angestoßen. In einem Kreis von ungefähr 50 Leuten haben wir sehr fröhlich gefeiert.

DOMRADIO.DE: Es kamen schon viele Glückwünsche aus der Kirche und aus der Politik. Ich habe gesehen, Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich lobend zu Wort gemeldet auf der Plattform "X". Das mediale Echo ist groß. Wie gehen Sie mit dieser Aufmerksamkeit um?

Vogt: Im Moment ist das erst mal sehr schön. Das wird sich heute Abend, wenn vielleicht auch Schwerin eingeschrieben wird, noch mal verschieben. Das ist auch in Ordnung.

Peter Vogt

"Wir freuen uns, wenn wir mit Schwerin in gewisser Hinsicht eine Welterbepartnerschaft haben."

DOMRADIO.DE: Sie teilen gerne?

Vogt: Ja, wir teilen gerne. Wir sind sehr gemeinschaftlich orientiert und freuen uns, wenn wir mit Schwerin  in gewisser Hinsicht eine Welterbepartnerschaft haben. Aber mittelfristig und langfristig müssen wir schauen, was das für uns hier bedeutet. Wie wollen wir mit mehr Aufmerksamkeit und mit mehr Besuchern umgehen?

Peter Vogt

"Das Besondere ist, dass diese Orte, die ganz weit weg voneinander liegen, doch ähnlich gebaut sind, den gleichen Geist, die gleiche Botschaft präsentieren."

DOMRADIO.DE: Könnte sein, das der Overtourism vielleicht nach Herrnhut überschwappt.

Vogt: Ich glaube das nicht. Es ist ein Welterbe, das eine Art religiöse Siedlungsform zum Gegenstand hat und das ein Netzwerk abbildet. Wenn man das als Tourist oder als Besucher genau anschauen möchte, muss man eigentlich alle vier Orte besuchen.

Empfohlener externer Inhalt von Youtube wurde auf Grund deiner Datenschutz-Einstellungen geblockt, klicke auf dieses Element und erlaube Youtube um diesen Inhalt nachzuladen.
Wenn du keine Inhalte von Youtube laden möchtest, klicke auf dieses Element und konfiguriere deine Datenschutz-Einstellungen.

Erst dann kann man richtig verstehen, was das Besondere ist. Nämlich dass diese Orte, die ganz weit weg voneinander liegen, doch ähnlich gebaut sind, den gleichen Geist, die gleiche Botschaft präsentieren. Ich glaube, dass Tagestouristen, die einfach nur mal kurz gucken wollen, nicht so ein großes Interesse daran haben. 

Peter Vogt

 "Es ist der Versuch, ein christliches Gemeinwesen in Architektur auszudrücken."

DOMRADIO.DE: Sie wurden gemeinsam mit den Siedlungen in den USA, Nordirland und Dänemark ausgezeichnet. Ein sogenanntes transnationales Welterbe. Sie eint nämlich ein spezieller Baustil. Vielleicht können Sie uns mehr dazu sagen, was das Besondere an den Herrnhutern ist.

Vogt: Es ist der Versuch, ein christliches Gemeinwesen in Architektur auszudrücken. Man könnte sagen, es ist vergleichbar mit einem katholischen Kloster, bei dem die Architektur dem gemeinsamen Glaubensleben dient. 

Das drückt sich darin aus, dass es in der Mitte einen zentralen Platz gibt. Der ist quadratisch und zeigt von den Wegen her ein Kreuz. Es gibt eine relativ einfache Kirche, die eine Längsausrichtung hat. Die Kirche ist innen weiß und hat keine Bilder. 

Hauptgebäude mit Kirchensaal der Herrnhuter Brüdergemeine / © Harald Oppitz (KNA)
Hauptgebäude mit Kirchensaal der Herrnhuter Brüdergemeine / © Harald Oppitz ( KNA )

Es gibt Gemeinschaftsgebäude, die heute nicht mehr so genutzt werden. Früher haben dort ledige Männer und ledige Frauen gedient. Schwestern und Brüder, wie wir sagen. Dort haben 100 oder 150 Leute kommunitär miteinander gelebt. 

Es gibt eine unsichtbare Geschlechterachse, die sich durch den Ort zieht, sodass die eine Seite des Ortes eher für Frauen war und die andere Seite eher für Männer. Die Schwesternseite und die Brüderseite. Das ist in der Kirche sichtbar, aber auch auf dem Gottesacker, auf dem Friedhof. Das ist in allen Orten ähnlich angelegt. 

Wenn man von einem Ort in den anderen reist, merkt man sofort, dass es der gleiche Stil ist. Als Herrnhuter fühlt man sich dann sofort zu Hause in den anderen Orten.

Peter Vogt

"Wir versuchen eine moderne, eine offene Gemeinschaft zu sein, die in der heutigen Zeit den Glauben lebt."

DOMRADIO.DE: Wie hat sich das im Verlauf der letzten 300 Jahre entwickelt? Ist das heute immer noch so streng oder schon wesentlich moderner? Ist Mission immer noch ein wichtiger Wachstumsfaktor?

Vogt: Es hat sich sehr entwickelt. Geschlossene Siedlungen wurden vor 150 Jahren noch sehr streng gehandhabt und streng abgetrennt. Das ist heute überhaupt nicht mehr. Wir versuchen eine moderne, eine offene Gemeinschaft zu sein, die in der heutigen Zeit den Glauben lebt.

Wir reden uns immer noch als Brüder und Schwestern an mit dem Gedanken, dass man eine Familie ist. Wir versuchen Begriffe oder Worte zu finden, die das gut ausdrücken. Mission ist heute auch anders.

Früher hat man sozusagen die Missionare in die weite Welt hinausgeschickt, heute ist das viel stärker eine Partnerschaftlichkeit. Wir bekommen viel Besuch aus anderen Ländern und reden miteinander. Wir überlegen, wie wir uns gegenseitig helfen können und was in der Zukunft dran ist. 

Peter Vogt

"Ein großes Bedenken beim Thema Welterbe war, dass uns das auf die Vergangenheit festlegt."

Wir sind sehr nach vorne gerichtet. Ein großes Bedenken beim Thema Welterbe war, dass uns das auf die Vergangenheit festlegt. Wir haben als Gemeinde gesagt, wir wollen kein Museum sein, wir wollen nach vorne schauen. 

Wir wollen unseren Glauben heute leben. Jetzt sehen wir das Welterbe eher als eine Chance, unsere Botschaft auch einer weiteren Öffentlichkeit mitzuteilen. Nicht nur unsere Botschaft, sondern eigentlich die Botschaft des Evangeliums, die des Glaubens.

Das Interview führte Elena Hong.

Das Stichwort: Herrnhuter Brüdergemeine

Die Herrnhuter Brüdergemeine ist eine evangelische Freikirche, die im 18. Jahrhundert in der Oberlausitz von Glaubensflüchtlingen gegründet wurde. Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) hatte zuvor Protestanten aus Mähren auf seinem Gut aufgenommen. Sie gründeten 1722 den Ort Herrnhut. Am 17. Juni wurde mit dem Bau eines ersten kleinen Hauses begonnen. Das Datum gilt als Gründungstag des bis heute christlich geprägten Ortes in Ostsachen.

Gottesdienst im Kirchsaal der Herrnhuter Brüdergemeinde / © Norman Schmorrde (epd)
Gottesdienst im Kirchsaal der Herrnhuter Brüdergemeinde / © Norman Schmorrde ( epd )
Quelle:
DR