Hildesheimer Bischof will mit Jugendlichen pilgern

Ein geistlicher Triathlon

Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer lädt junge Menschen dazu ein, mit ihm gemeinsam zu pilgern. Möglich ist dies zu Fuß, per Rad oder auf dem Kanu über einen Fluss. Dabei geht es ihm vor allem darum, den jungen Menschen zuzuhören.

Symbolbild Jugendlicher mit Rucksack im Wald / © bodnar.photo (shutterstock)
Symbolbild Jugendlicher mit Rucksack im Wald / © bodnar.photo ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Vor fünf Jahren, als Sie noch kein Bischof waren, haben Sie schon einmal eine Pilgertour mit Jugendlichen gemacht. Funktioniert dieses Konzept, sodass die Jugendlichen sich öffnen und mit Ihnen als Bischof Klartext sprechen?

Heiner Wilmer, Bischof von Hildesheim pilgert mit Jugendlichen / © Stefano dal Pozzolo (KNA)
Heiner Wilmer, Bischof von Hildesheim pilgert mit Jugendlichen / © Stefano dal Pozzolo ( KNA )

Bischof Heiner Wilmer (Bischof von Hildesheim): Ich würde schon sagen, dass das Konzept funktioniert. Als ich damals mit den jungen Leuten gepilgert bin, habe ich denen ein paar Fragen gestellt. Was würdet ihr tun, wenn ihr Bischof wäret? Was empfehlt ihr mir? Wie soll ich persönlich leben?

Da kamen für mich so wichtige Impulse, dass ich das gerne wiederholen würde. Viele von den Impulsen sind in meine Arbeit als Bischof eingeflossen, in die Konzepte, wie wir unser Bistum Hildesheim steuern und wie wir für eine frische Verkündigung sorgen.

DOMRADIO.DE: Viele wünschen sich echte Veränderungen. Können Sie da als Bischof überhaupt helfen oder nur vertrösten?

Wilmer: Die Veränderung besteht darin, dass ich den jungen Menschen zuhöre. Ich bin ein Ordensmann. In einer alten Benediktsregel empfiehlt Benedikt den Mönchen, dass der Abt, der Leiter eines Klosters, bei wichtigen Entscheidungen, den Jüngsten des Klosters zuhören soll, um dann mit den Älteren Entscheidungen zu treffen.

Das Zuhören ist für mich ganz wichtig. Dann kommt es darauf an, dass die Jüngeren eingebunden werden und dass sie nicht Objekte bleiben, sondern Subjekte werden und dass ihnen bewusst ist, dass sie Kirche und Gesellschaft sind und Verantwortung übernehmen.

Denn erneuert hat sich die Gesellschaft und die Kirche immer. Das wird sie auch weiterhin tun müssen. Das geht nur zusammen mit der jüngeren, nachwachsenden Generation.

DOMRADIO.DE: Wenn da jemand kommt und sich die Frauen-Priesterweihe wünscht oder die Abschaffung des Zölibats, dann sind Ihnen aber doch die Hände gebunden, oder?

Wilmer: Das sind Dauerthemen, mit denen ich hier ständig konfrontiert werde. Ich sage dann: "Wir sind katholische Kirche. Wir sind eine Weltkirche."

Es ist gut, über diese Themen zu sprechen und sie in den größeren weltkirchlichen Kontext einzubinden. Es ist auch gut, auf die anderen Kirchen in Europa, Afrika und Amerika zu hören. Was sind deren Themen?

Grundsätzlich war die Kirche immer unterwegs und hat sich immer verändert. Ich persönlich bin gespannt auf die Wirkungen des Heiligen Geistes.

Heiner Wilmer

"Es gibt Zeit, die Seele baumeln zu lassen und zu Themen zu kommen, über die sonst nicht gesprochen wird."

DOMRADIO.DE: Wie werden die Pilger-Touren aussehen, wenn sie sich ein Beispiel herausgreifen?

Wilmer: Wir haben eine tolle Jugendabteilung, die ein Konzept erstellt hat, das sehr gemischt ist. Wir starten nächsten Sonntag, am 18. Juni in Bremerhaven, an der Nordsee, an der Waterkant. Bremerhaven ist für uns wichtig im Bistum, weil es sozial das herausforderndste Gebiet ist. Wir starten mit einem Schiff, erkunden den Hafen.

Am 1. Juli geht es zu Fuß von Göttingen nach Friedland zum Grenzdurchgangslager. Das ist heute wichtig, war aber auch schon nach dem Zweiten Weltkrieg eine Anlaufstelle für Kriegsflüchtlinge und entlassene Kriegsgefangene und ist historisch aufgeladen.

Am 2. Juli sind wir in Hildesheim und fahren mit dem Fahrrad von Hildesheim zum Kloster Marienrode. Da werden mit jedem geradelten Kilometer Lebensmittelspenden für einen sozialen Mittagstisch gesammelt.

Kanutour auf einem Fluss / © Inc (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Und irgendwann sitzen Sie dann auch im Kanu und paddeln?

Wilmer: Richtig. Am 30. September, nach der Sommerpause, paddeln wir in Braunschweig auf der Oker vom Bürgerpark bis zum Aktiv-Spielplatz. Die Orte sind ausgesucht worden, weil sie so unterschiedlich sind, aber auch gleichzeitig charakteristisch für das Bistum Hildesheim.

DOMRADIO.DE: Warum ist Ihnen der Pilger-Aspekt so wichtig für diesen Austausch?

Wilmer: Pilgern ist für mich ein Bild für unser Leben. Wir gehen einen Weg. Und dieser Weg und das Pilgern sind anschlussfähig. Man kann über alles reden, man kann schweigen, man kann zuhören, man ist an der frischen Luft, man spürt Sonne und Regen auf der Haut, man teilt sich vielleicht die Stulle (Butterbrot, Anm. d. Red.) miteinander.

Es gibt Zeit, die Seele baumeln zu lassen und zu Themen zu kommen, über die sonst nicht gesprochen wird. Es gibt Zeit zum Gottesdienst, zu unterschiedlichen Formen von Liturgie und natürlich auch Zeit, um beim Essen einander in die Augen zu schauen und zu fragen: Wie geht's? Was sind deine Themen? Was sind eure Themen und wo drückt der Schuh? Womit beschäftigt ihr euch? Wie seht ihr die Welt? Wie seht ihr die Kirche? Und vor allem: Wie seht ihr euch in dieser Gesellschaft und in der Kirche?

Das Interview führte Tobias Fricke. 

Bistum Hildesheim

Hildesheimer Dom / © Daniel Pilar (KNA)
Hildesheimer Dom / © Daniel Pilar ( KNA )

Zur Diözese Hildesheim zählen rund 538.000 Katholiken im östlichen Niedersachsen und im Norden Bremens. Das rund 30.000 Quadratkilometer große Bistum reicht von der Nordseeküste bis zu den südlichen Ausläufern des Harzes bei Göttingen und Duderstadt. Die Katholiken bilden im Bistum in fast allen Regionen der Diözese eine Minderheit (Diaspora).

Es zählt 119 Kirchengemeinden in 17 Dekanaten. Heiner Wilmer ist der 71. Bischof des Bistums. Er folgt auf Bischof Norbert Trelle, dessen altersbedingten Rücktritt Papst Franziskus am 9. September 2017 annahm.

Quelle:
DR