Zwar habe es institutionell bei Intervention und Meldepflichten, Sensibilisierung und Prävention eine Reihe von Fortschritten gegeben, sagte er dem Münsteraner Portal kirche-und-leben.de (Donnerstag). Diese seien aber keinesfalls dazu angetan, die tiefen Irritationen und Zweifel innerhalb der Kirche zu beseitigen. Der Hamburger Historiker hatte mit seinem Forscherteam das vor einem Jahr vorgestellte Missbrauchsgutachten für das Bistum Münster erarbeitet.
![Thomas Großbölting / © Lars Berg (KNA) Thomas Großbölting / © Lars Berg (KNA)](/system/files/styles/w21_dmr_theme_embed_xs_1x/private/image/220613-0916-000143.jpg.avif?itok=1Hnr-nWA)
Resignation und Zynismus
In Pfarrgemeinden, in denen Missbrauchstäter aktiv waren, gebe es zwar Empörung und Veränderungswillen, so der Historiker weiter. Allzu oft aber verliere sich dieser Wille selbst bei ehemals sehr engagierten Laien allein in Rückzug. Er erlebe kirchliche Mitarbeiter vielfach resigniert; oft schlage deren Leidenschaft in Zynismus um. Priester sähen sich durch die Aufdeckung zahlreicher Missbrauchsfälle in ihrem Lebens- und Berufsmodell in Frage gestellt und blieben in der ganzen Debatte nahezu sprachlos.
"Scheinheilige Sexualmoral"
Großbölting kritisierte, dass die Bedingungen, die Missbrauch in der Kirche ermöglichten, nicht verändert würden. Neben Klerikalismus träten "männerbündische und frauenfeindliche Strukturen, eine latente Homophobie und eine vollkommen scheinheilige Sexualmoral".
Am Dienstag, ein Jahr nach Veröffentlichung der Missbrauchsstudie, findet in Münster eine Diskussion statt. In der Bistumsakademie Franz-Hitze-Haus sollen unter anderem Großbölting, ein Betroffener und Münsters Bischof Felix Genn eine Zwischenbilanz der bisherigen Aufarbeitung ziehen.