Historiker bewertet Kardinal Faulhabers Verhältnis zu Juden

"Definitiv kein Rassist"

Dem Historiker Andreas Wirsching zufolge habe sich die Judenfreundschaft des Münchner Kardinals Michael von Faulhaber in Grenzen gehalten. So hätte dieser in erster Linie im NS-Staat als Juden verfolgten getauften Christen geholfen.

Kardinal Michael von Faulhaber (KNA)
Kardinal Michael von Faulhaber / ( KNA )

Der Münchner Kardinal Michael von Faulhaber hatte nach Ansicht von Historiker Andreas Wirsching ein eher distanziertes Verhältnis zu seinen unter dem NS-Regime verfolgten jüdischen Mitbürgern. 

Faulhaber habe zwar schon vor 1933 als Judenfreund gegolten, sagte der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in einem am Wochenende veröffentlichten Gespräch mit dem "Neuen Ruhrwort". 

Ein handgeschriebenes Hetzblatt gegen Kardinal Michael von Faulhaber, im Vatikanischen Apostolischen Archiv am 27. Februar 2020 im Vatikan / © Cristian Gennari/Romano Siciliani/KNA (KNA)
Ein handgeschriebenes Hetzblatt gegen Kardinal Michael von Faulhaber, im Vatikanischen Apostolischen Archiv am 27. Februar 2020 im Vatikan / © Cristian Gennari/Romano Siciliani/KNA ( KNA )

"Wenn man aber genau hinschaut, das finde ich wichtig, dann hält sich Faulhabers Judenfreundschaft in recht engen Grenzen." 

Setzte sich Faulhaber nur für als Juden verfolgte Christen ein?

Das alte Israel und das Alte Testament habe der Kardinal als wichtige Überlieferung für das Christentum gewertet. 

Für seine jüdischen Zeitgenossen setzte sich Faulhaber nach Wirschings Worten aber nur dann ein, "wenn es sich um sogenannte nichtarische Christen handelte, die nach der NS-Gesetzgebung natürlich als Juden galten, aber eben getaufte Christen waren". 

Die Taufe sei immer das Entscheidende für den Kirchenmann geblieben, betonte der Historiker. "Faulhaber war definitiv kein Rassist, aber man sollte ihn auch nicht umdrehen und sagen, er sei ein großer Held gewesen." 

Ein bedeutender Prediger und intensiver Seelsorger 

Seit 2015 läuft eine kritische Edition der Tagebücher von Michael von Faulhaber (1869-1952), die dieser zwischen 1911 und 1952 führte. An dem Langzeit-Projekt ist unter anderen Einrichtungen das in München ansässige Institut für Zeitgeschichte (IfZ) beteiligt. 

In den Tagebucheinträgen offenbare sich Faulhaber als äußerst vielschichtige Persönlichkeit, betonte IfZ-Direktor Wirsching in dem Interview des "Neuen Ruhrworts". 

Kardinal Joseph Frings (m.), Erzbischof von Köln, und Kardinal Michael von Faulhaber (r.), Erzbischof von München und Freising im Jahr 1951 / © Dux (KNA)
Kardinal Joseph Frings (m.), Erzbischof von Köln, und Kardinal Michael von Faulhaber (r.), Erzbischof von München und Freising im Jahr 1951 / © Dux ( KNA )

Der Kardinal sei ein bedeutender Prediger und intensiver Seelsorger gewesen. Darüber hinaus habe er im politischen Raum gewirkt und Kontakte zu einer Vielzahl von Personen unterhalten. 

Kardinal schrieb Entwurf für Enzyklika gegen Nationalsozialismus

"Auffällig ist seine große Feindschaft gegenüber der Demokratie und gegenüber der Weimarer Republik im Besonderen, die für ihn für das Aufkommen des Bolschewismus und für den Sittenverfall, was immer man darunter genau versteht, steht und für ihn eine Staatsform und Regierungsweise ist, die sich von Gott abgewandt hat", sagte Wirsching. "Insofern, war 1918 für ihn die viel tiefere Zäsur als 1933." 

Während der NS-Zeit habe der Münchner Kardinal wie andere führende Kirchenvertreter lange darauf gesetzt, dass man mit Adolf Hitler von gleich zu gleich verhandeln könne. Nach außen habe er sich als Taktiker präsentiert. 

 Enzyklika "Mit brennender Sorge", unterzeichnet am 14. März 1937 von Papst Pius XI. (KNA)
Enzyklika "Mit brennender Sorge", unterzeichnet am 14. März 1937 von Papst Pius XI. / ( KNA )

Das gelte auch für die Enzyklika "Mit brennender Sorge", in der Papst Pius XI. am Palmsonntag 1937 den Nationalsozialismus auf scharfe Weise verurteilte und für die Faulhaber den Entwurf verfasste. 

Weitgehende Selbstreferenzialität des Katholizismus 

"Was man feststellt, ist eine sehr weitgehende Selbstreferenzialität des Katholizismus beziehungsweise der Amtskirche", so Wirsching. 

Zu den Protestanten etwa habe es kaum Kontakte gegeben. "Faulhaber agiert vollständig in diesem Subsystem Katholische Kirche." Das sei auf der einen Seite beeindruckend, weil es sich beim Katholizismus um ein sehr vielgestaltiges Gebilde handle. 

"Aber es ist auch frustrierend zu sehen, wie geradezu eine Blindheit entsteht gegenüber dem, was in der Welt passiert. Das ist aber die Schwäche beider christlichen Kirchen."

Die Kirche und der Nationalsozialismus in Deutschland

Pflicht, Opfer, Vaterland: Als Hunderttausende katholischer deutscher Soldaten ab 1. September 1939 in den Zweiten Weltkrieg zogen, vermieden die meisten Bischöfe politische Stellungnahmen. Einzig der Münsteraner Bischof Clemens August von Galen rechtfertigte den Krieg unter Verweis auf den "ungerechten Gewaltfrieden" von Versailles 1918.

Turm der St. Matthiaskirche in Berlin (shutterstock)
Quelle:
KNA