Dabei habe mit Hugo von St. Viktor (1097-1141) einer der bedeutendsten Theologen im 12. Jahrhundert die Frage gestellt, warum denn nicht ein Mann einen Mann oder eine Frau eine Frau heiraten dürfe, erklären die Professoren Klaus van Eickels und Christof Rolker in einer multimedialen Online-Reportage zu "Kultur und Gesellschaft im Mittelalter". Nach herrschender Meinung mittelalterlicher Theologen galten gleichgeschlechtliche Handlungen als himmelschreiende Sünde.
Der französische Gelehrte aber habe auf Beziehungen ohne Geschlechtsverkehr abgehoben, so die Bamberger Wissenschaftler. Dabei sei er von der Jungfräulichkeit Mariens ausgegangen, die durch die Ehe mit Josef nicht angetastet worden sei.
Dieser Bund könne also auch ohne das Einwilligen in Geschlechtsverkehr zustande kommen. Eine mit dieser Maßgabe geschlossene gleichgeschlechtliche Partnerschaft habe der Theologe sogar ein "Bündnis lobenswerter Liebe" genannt, berichtet van Eickels. "Er hätte sicherlich kein Problem mit einem eheähnlichen Bund zweier Männer oder zweier Frauen gehabt, der auf Solidarität und wechselseitige Hilfe ausgerichtet ist."
Verbindung als sakramentale Ehe abgelehnt
Gleichzeitig habe es Hugo von St. Viktor abgelehnt, solche Verbindungen als sakramentale Ehe zu betrachten. Er habe argumentiert, die Ehe sei ein Sakrament, weil sie den Bund der Liebe zwischen Gott und den Menschen abbilde. Deshalb müsse eine klar erkennbare Ungleichheit zwischen den Partnern bestehen, wie sie nur in der Ehe zwischen Mann und Frau verwirklicht sei.
Die kirchliche Ehelehre des Mittelalters bezeichnet van Eickels Kollege Christof Rolker als "im Vergleich zur sozialen Praxis bemerkenswert modern". Sie habe den individuell und frei gegebenen Konsens der Ehepartner in den Mittelpunkt aller Überlegungen gestellt.
"Bei aller Modernität wird es aber zugleich als selbstverständlich angesehen, dass Mann und Frau ungleich und ungleichberechtigt sind. Sie sind so ungleich, dass die Ehe sogar mit dem Verhältnis zwischen Gott und Mensch verglichen wird. Das dürfen wir nicht vergessen", so der Professor.