Hochschulseelsorger fordert bessere Hilfen für Studierende

"Der Bedarf steigt an"

Die gestiegenen Energiepreise belasten viele Studierende besonders. Eine Einmalzahlung von 200 Euro reiche da zur Unterstützung nicht aus, kritisiert Hochschulseelsorger Nils Wiese und fordert konkretere Hilfen.

Studierende in einem Hörsaal / © Ground Picture (shutterstock)
Studierende in einem Hörsaal / © Ground Picture ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Sind die gestiegenen Preise bei den Studierenden ein Thema?

Nils Wiese (Pastoralreferent an der Katholischen Hochschulgemeinde Düsseldorf): Wir merken in der Beratung, dass das bereits seit dem Frühjahr ein Thema ist. Da sind die Energiepreise ja nicht so deutlich gestiegen, der Sprit schon, das betrifft die Studierenden meist nicht, aber die Preise für Lebensmittel. Ich merke das ja selbst in meinem Alltag. Da habe ich das Gefühl, jeden Tag werden die Brötchen teurer. Aber ich kann es mir auch leisten. Ich habe ein festes Gehalt. Das ist bei vielen Studierenden nicht der Fall. Da ist es manchmal schon kritisch, wenn im Monat 20 Euro mehr an Kosten obendrauf kommen.

Nils Wiese, Pastoralreferent an der KHG Düsseldorf / © KHG Düsseldorf
Nils Wiese, Pastoralreferent an der KHG Düsseldorf / © KHG Düsseldorf

Wir in der KHG merken das sehr stark. Wir unterstützen Studierende durchaus auch mit finanziellen Mitteln und dann merken wir: Der Bedarf steigt an. Und ich bin mir ziemlich sicher, jetzt, wenn die Nebenkostenabrechnungen im Herbst eintrudeln, wenn die ganzen Erhöhungen kommen, was den Gaspreis angeht und den Strom, da kommt bestimmt auch noch einiges.

Das wird ein sehr harter Winter für viele natürlich werden, völlig klar, aber natürlich besonders auch für Studierende, die einfach nicht viel Geld haben. Man hört ja immer wieder in der Debatte, Studierende sollten sich nicht so anstellen. Ja, es gibt Studierende, die sind finanziell gut aufgestellt. Aber es gibt auch viele Studierende, bei denen ist das nicht der Fall. Die bestreiten ihren Lebensunterhalt zu 100 Prozent alleine und müssen sehen, wie sie ihr Studium nebenher finanzieren.

DOMRADIO.DE: Es soll jetzt eine Einmalzahlung von 200 Euro für alle Studierenden geben. Glauben Sie, diese 200 Euro können helfen?

Wiese: Da bin ich immer ein bisschen skeptisch. Wie viel macht jetzt so eine Einmalzahlung? Was für einen Unterschied macht das? Unsere Wirklichkeit hier in der KHG ist häufig, dass zum Beispiel Rückstände bei Mieten oder bei der Krankenversicherung auflaufen.

Das ist das Alltagsgeschäft, das ist das, woran dann schnell auch mal gespart wird, wenn man eine Mahnung dann auch mal liegen lassen kann. Aber wenn man eine Monatsmiete und eine Krankenversicherung mal nicht bezahlt, sind wir schnell bei 500 Euro. Ich glaube, da muss es noch mal andere Modelle geben.

DOMRADIO.DE: Wenn jetzt jemand zu Ihnen kommt, welche Hilfe können Sie anbieten?

Wiese: Jeder Studierende kann sich an uns wenden, unabhängig davon, welcher Religion sie angehören oder welcher Nationalität. Das spielt keine Rolle, sie bekommen bei uns immer ein Gespräch. Das ist mir sehr, sehr wichtig. Unser Ansatz ist jetzt nicht nur einfach zu sagen: So, hier sind 200 Euro und dann guck mal, was du damit machst. Sondern häufig ist das ja ein Geflecht von Themen.

Die Frage ist ja auch, warum zum Beispiel kann derjenige seine Rechnungen nicht begleichen? Das können ganz unterschiedliche Gründe sein. Also es ist nicht nur das, dass das Geld vielleicht manchmal nicht reicht, sondern manchmal sind auch persönliche Probleme da. Wir haben ein großes Hilfe-Netzwerk mit der Caritas zum Beispiel oder mit Esperanza. Wir haben hier auch immer wieder junge Frauen in der Beratung, die schwanger geworden sind und jetzt einfach schauen müssen, wie sie ihr Leben bestreiten. Und da ist dann eine Geldzahlung allein noch nicht die Hilfe, sondern wir gucken, dass wir sie begleiten.

Und häufig ist es so, dass wir diese Studierenden auch über eine längere Zeit begleiten. Also nicht nur mit einer Geldzahlung, sondern auch, und das ist für uns ganz klar in der KHG: Seelsorge. Wir sind dabei, bei den Leuten. Wir sind dankbar, dass wir die Möglichkeit haben. Vor allem auch aufgrund der Kirchensteuern, aber nicht nur. Dass wir die Möglichkeit haben, Studierende zu unterstützen. Wir haben einen Förderverein, auch der hilft mit.

Das Interview führte Gerald Mayer.

30 Prozent der Studierenden laut Paritätischem Gesamtverband arm

Der Paritätische Gesamtverband hat eine stärkere Bafög-Anhebung gefordert, als von der Ampel-Koalition geplant. Der Verband begründet das mit eigenen Berechnungen, wonach 30 Prozent aller Studierenden in Deutschland von Armut betroffen seien. Bei den alleinlebenden Studenten und Studentinnen seien es sogar 79 Prozent, teilte der Paritätische am Dienstag mit.

Symbolbild Armut / © Lukas Gojda (shutterstock)
Quelle:
DR