Pariser Pfarrer zum Brand in Notre-Dame

"Ich spüre eine große Nähe der Franzosen zueinander"

Der Brand in Notre-Dame ist gelöscht, doch der Schock sitzt weiterhin tief. Pfarrer Markus Hirlinger in Paris erhält zahlreiche Solidaritätsbekundungen und berichtet von der Trauer, die weit über Frankreich hinausgeht.

Nonnen blicken auf die Kathedrale Notre-Dame nach dem Brand / © Victoria Jones (dpa)
Nonnen blicken auf die Kathedrale Notre-Dame nach dem Brand / © Victoria Jones ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was ist in Ihnen vorgegangen, als Sie die Notre-Dame in Flammen gesehen haben? Wie haben Sie es erfahren?

Pfarrer Markus Hirlinger (Katholische deutschsprachige Gemeinde Sankt Albertus in Paris): Ich war unterwegs mit Freunden. Wir saßen in einem Restaurant, haben gegessen und plötzlich hatte jemand das Handy gezückt und gesagt, Notre-Dame brennt. In den ersten Sekunden konnte man das gar nicht glauben. Man ist einfach sprachlos, weiß aber, das kann kein Scherz sein, wenn jemand so eine Aussage macht. Wir saßen alle nur betroffen da, denn man kann zunächst nicht erfassen, was da jetzt passiert.

DOMRADIO.DE: Waren Sie in der Nähe?

Hirlinger: Ich selber war nicht in der Nähe. Aber ein Mitarbeiter vom Haus, unser Bundesfreiwilliger, war tatsächlich nur ein paar hundert Meter entfernt. Er hatte plötzlich kurz vor 19 Uhr mit seiner Familie Rauch aufsteigen sehen. Alle waren geschockt. Und unsere erste Sorge war dann auch, ob da Menschen in Gefahr sind. Erst nach und nach ist wirklich eine Trauer entstanden. Abends konnte ich dann im Fernsehen den Pariser Erzbischof Michel Aupetit und den französischen Präsidenten Macron hören, die beide sehr bewegt waren und wichtige Botschaften in dieser schweren Situation sagen konnten. Sehr berührend.

DOMRADIO.DE: Inwieweit spüren Sie denn jetzt, dass das Leben in Paris anders ist?

Hirlinger: Ich nehme es zunächst wieder über die Medien wahr und über die Mitarbeiter, die kommen und erzählen, wie sie es erlebt haben. Es ist tatsächlich eine Erleichterung zu spüren, dass das Feuer gestoppt werden konnte. Da spürt man eine große Dankbarkeit, dass es die Feuerwehr mit großer Kompetenz geschafft hat, die Struktur des Gebäudes zu schützen und zu erhalten, dass die Türme, die Gemäuer und vor allem die besonderen Schätze, die in der Kathedrale aufbewahrt werden, geschützt werden konnten. Ganz besonders die Dornenkrone Jesu, die von König Ludwig 1239 erworben wurde und vor allem freitags verehrt wird. Und ich war tatsächlich letzten Freitag noch mit meiner Familie dort. Wir haben bei der Verehrung teilnehmen können.

DOMRADIO.DE: Notre-Dame ist neben dem Eiffelturm ein Wahrzeichen von Paris. Was bedeutet dieser Brand für Frankreich und vor allen Dingen für die Katholiken in Frankreich?

Hirlinger: Notre-Dame ist in der Tat ein Bauwerk, das die Geschichte Frankreichs geprägt hat, wo viele große Ereignisse eine Mitte gefunden haben. Bei schlimmen Dingen wie Kriegen oder Epidemien ist man dort hingegangen und hat gebetet. Siege und Versöhnungen wurden dort gefeiert. Gläubige aus der ganzen Welt kommen nach Frankreich und gehen natürlich auch zum Eiffelturm, aber in der Tat besuchen mehr Menschen Notre-Dame.

Und jetzt kommen viele Menschen und entzünden eine Kerze, erinnern sich, wie sie über diese Wirkung der Kirche, diese Ausstrahlung, diesen Ort des Glaubens gestaunt haben. Ich spüre jetzt eine große Nähe der Franzosen zueinander. Auch die Politiker, die gegeneinander verfeindet sind, nehmen plötzlich ein gemeinsames Ziel wahr.

DOMRADIO.DE: Gibt es denn Reaktionen aus Ihrer Gemeinde? Was tun die Menschen, um sich solidarisch zu zeigen?

Hirlinger: Ich habe schon Mails erhalten, in denen Menschen anbieten, dass sie Geld spenden. Eine Dame hat ein Gedicht geschrieben, in dem sie ihre Trauer und Sorge, aber auch das Vertrauen zum Ausdruck bringt. Ich erhalte tatsächlich ganz, ganz viele Mails und WhatsApp-Nachrichten, in denen Menschen ihre Betroffenheit zum Ausdruck bringen. Darüber hinaus konnte ich noch nicht mit vielen Gemeindemitgliedern wirklich reden.

DOMRADIO.DE: In vielen Städten Europas werden um 12 Uhr die Glocken läuten – in Köln auf jeden Fall. Wie kann sich Europa sonst solidarisch zeigen?

Hirlinger: Das ist schon ein ganz großes Zeichen der Solidarität, dass die Glocken geläutet werden. Da spürt man überall die Betroffenheit, aber auch die Hoffnung, dass diese Kathedrale wieder aufgebaut wird. Man spürt, dass das solidarisch empfunden wird und dass Europa tatsächlich beteiligt ist. Alle zeigen ihre Nähe und Solidarität. Ich glaube, das stärkt Frankreich und schafft ein Gefühl von Einheit, dass man doch miteinander an einem Strang ziehen muss. Ich hoffe, dass das auch auf die Politik eine Auswirkung haben kann.

Das Interview führte Dagmar Peters.


 

Markus Hirlinger / © Hirlinger (privat)
Markus Hirlinger / © Hirlinger ( privat )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema