"Ich war immer schon in einer guten Verbindung zu meinem Glauben. Er ist eine Konstante in meinem Leben", sagt Mia. Und es klingt wie ein Ausrufezeichen, als sie entschieden hinzufügt: "Ich lasse mich firmen, weil ich an Gott glaube." Seit vielen Jahren ist die 16-Jährige aktiv als Messdienerin in der Neusser Kirchengemeinde St. Pius; seit einem Jahr gehört sie dem Leiterteam an. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht ihr sichtlich Spaß. Immerhin investiert die Schülerin in dieses Engagement einen Großteil ihrer Freizeit.
Und wie steht sie zu dem aktuellen Bild von Kirche in der Öffentlichkeit? Ist die anhaltende Debatte um Missbrauchsaufarbeitung oder das Veto aus dem Vatikan zu Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare nicht mehr als uncool? "Das nimmt mich schon mit", räumt Mia ein und findet die Verordnung "von oben" unmöglich, dass eine Liebe zwischen zwei Frauen oder zwei Männern Sünde sein soll. Aber gerade weil sie eine solche Haltung erschüttere und diese dem allgemeinen Trend Vorschub leiste, dass die Leute mittlerweile Glaube und Kirche klar voneinander trennten, bleibe sie bewusst Mitglied. "In der Hoffnung, dass ich damit etwas verändern kann. Wenn ich gehe, bringe ich mich nur selbst um die Chance, Kirche mitzugestalten. Also bleibe ich." Den Empfang des Firmsakramentes habe sie als eine Vertiefung ihres Glaubens erlebt. "Als eine Bestärkung auf meinem Weg. Außerdem hilft die Firmung dabei, sich mit Gleichaltrigen über Glaubensthemen auseinanderzusetzen. Und da ist man immer zu Antworten herausgefordert."
Firmung bewirkt eine Dynamik von Null auf 100
Auch Max gibt zu, dass es gerade "ganz viel Stress in der Kirche gibt", er sich davon aber nicht sonderlich beeinflussen lasse. Denn trotzdem liefere ihm die Institution den entsprechenden Rahmen, "meinen Glauben auszuleben", wie er betont. Ihn habe der Weg hin auf das Firmsakrament zu eher positiv darin bestätigt und gleichzeitig viele Anregungen zur Reflexion geliefert, berichtet der 15-Jährige. Er war ebenfalls eine Zeit lang Messdiener. "Natürlich habe ich mir die Frage gestellt: Will ich das alles wirklich? Dann habe ich bei der Firmvorbereitung viel darüber nachgedacht, ausgesprochen, was mich bewegt, und bin damit für mich ein ganzes Stück weitergekommen." Die Beschäftigung mit dem eigenen Glauben führe jedenfalls zu der gegenteiligen Erfahrung von Orientierungslosigkeit. "Man läuft nicht mehr einfach so durchs Leben, ohne nach rechts oder links zu schauen, sondern begegnet auch seinen Mitmenschen mit einem Mal ganz anders. Mit mehr Anteilnahme. Einfach netter", findet er. Beten tue sehr gut, hat Max für sich festgestellt. Und auch "wie heftig die Firmung auf einen wirken könne", habe ihn beeindruckt. "Da entsteht eine Dynamik von Null auf 100", lacht er. "Mal schauen, was daraus noch wird."
Bei der Taufe hätten die Eltern die Entscheidung für sie getroffen, bei der Firmung aber gehe es darum, sich selbst zu seinem eigenen Glauben zu bekennen, argumentiert Lina. "Ich will’s wirklich. Ich ziehe das jetzt durch", könne sie heute von sich sagen. Zufall oder nicht – auch sie ist inzwischen Messdienerleiterin, nachdem sie wegen Corona auf dem Weg zum offiziellen Leiterschein lange ausgebremst war, in der Zwischenzeit aber als sogenannte "Schnupperleiterin" in ihrer Gemeinde Heilige Dreikönige während der letzten Monate viel präsent war und überhaupt schon immer gerne in der Messe gedient habe.
Sich selbst auf Pilgerweg in Kontakt mit Gott bringen
Jede Beziehung habe auch schwierige Zeiten, kommentiert sie den Imageverlust, den Kirche gerade vor allem bei der Jugend erleidet. Da dürfe man auch mal zweifeln, ob das für einen selbst das Richtige sei, sagt sie offen über das Bild, das Kirche gerade abgibt. Aber man könne eben auch immer wieder zurückkommen. Diese Tür stehe jederzeit offen. Das sei doch ein gutes Gefühl. "Ich trete nicht aus, weil ich von draußen nichts verändern kann", beschreibt sie ihr eigenes Verhältnis zur Kirche und geht darin mit Mia völlig d’accord. "Das kann ich nur, wenn ich Mitglied bleibe", formuliert sie mit Nachdruck und lässt dabei durchblicken, dass das auch eine emotionale Entscheidung ist.
Lina wurde Mitte März im Quirinus-Münster gefirmt und kann sich mittlerweile sogar gut vorstellen, bei der nächsten Firmvorbereitung die Perspektive zu wechseln, das heißt, im Team der Firmbegleiter mitzumachen. Pastoralreferent Thomas Burgmer, der in der Pfarreiengemeinschaft Neuss-Mitte für die Firmvorbereitung verantwortlich ist, hat die 16-Jährige jedenfalls bereits geworben. Er weiß, dass ihr der "Jakobsweg" von Ormont nach Trier, der einwöchige Pilgerweg über eine Strecke von insgesamt 140 Kilometern mit jeweils einem festen Tagesthema und wechselnden geistlichen Impulsen, "um sich selbst in Kontakt mit Gott zu bringen", wie er sagt, großen Spaß gemacht hat.
Mit den Jugendlichen das Credo durchdeklinieren
Dieses Projekt ist seit ein paar Jahren fester Bestandteil seiner Firmvorbereitung wie auch die sonst übliche Taizé-Fahrt, die pandemiebedingt in diesem Jahr nur online stattfinden konnte, aber sonst zu den absoluten Highlights dieser Vorbereitungszeit zählt und bei Jugendlichen wie Lina als religiöses Gemeinschaftserlebnis durchweg auf positive Resonanz stößt. Auch hier kann sich die Gymnasiastin vorstellen, demnächst Leitungsverantwortung zu übernehmen.
Firmung in Corona-Zeiten – das bedeutet auch, dass die beliebte Firm-WG, ein paar Tage als Gruppe zusammenwohnen und -leben, diesmal ins Netz verlagert werden musste und ein solches Vorhaben dann digital nicht annähernd das ist, was sich Burgmer normalerweise als intensive Erfahrung für die Firmanden davon verspricht. Selbst die Kleingruppentreffen, der sogenannte "classic Kurs", waren fast ausschließlich nur als Zoom-Veranstaltungen realisierbar. Doch für den Theologen kein Grund, nicht an dem bewährten Konzept festzuhalten und sich eben bei der Umsetzung den neuen Bedingungen flexibel anzupassen. Mit den jungen Leuten das Credo durchzudeklinieren – das geht schließlich auch mit räumlichem Abstand. "Tod und Auferstehung sind da ganz klar die Highlights", erläutert Burgmer. Bei der Beschäftigung mit der Kreuz-Thematik gehe es beispielsweise um Fragen wie: Was ist dunkel in meinem Leben? Was zieht mich runter? Oder schließlich auch darum: Wie mache ich daraus etwas Helles? Wie kann aus dem, was nicht gelingt, so etwas wie Auferstehung werden?
In der Firmbegleitung etwas Neues ausprobieren
Burgmer schafft es immer wieder, ein relativ junges Firmbegleiter-Team auf die Beine zu stellen. Er kann es gut mit den jungen Leuten. Zuletzt jedenfalls lag der Altersdurchschnitt seiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter zwischen 17 und 25 Jahren. "In der Firmvorbereitung braucht es mehr als nur die pure Weitergabe von theologischen Inhalten", erklärt der 45-Jährige. "Hier sind ganz andere Perspektiven wichtig. Denn vor allem geht es um den Blick der Jugendlichen auf den Glauben und um die Frage: Welche Themen sind da gerade dran? Bei mir dürfen sich Firmbegleiter auch mal mit neuen Ideen, neuen Impulsen austoben und etwas ausprobieren." Schließlich entwickele sich vieles erst auf dem gemeinsamen Weg miteinander. "Da wirft man Vorbereitetes schon mal um. Plötzlich werden andere Aspekte viel wichtiger und geraten in den Vordergrund. Darauf will ich reagieren."
Lina ist beim nächsten "Jakobsweg“ jedenfalls wieder mit dabei. Wie gesagt: dann auf der anderen Seite. "Ich will dabei helfen, dass junge Menschen, die sich auf diesen für sie zunächst wenig greifbaren Prozess der Firmvorbereitung einlassen, zunehmend an Sicherheit gewinnen. Mithilfe meiner eigenen Erfahrungen will ich sie ermutigen. Ich selbst konnte meinen eigenen Glauben bei der Firmung festigen. Und den will ich nun weitergeben."